34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
den Bruder zu retten. Sie sagten sich zwar, daß mit diesem Unternehmen vielleicht Gefahren verbunden seien, und darum ließen sie ihn nur widerstrebend fort, aber die Pflicht stehe doch höher als die Rücksicht auf die gehegten Befürchtungen.
„Sie sehen, daß es nun gar nichts weiter zu überlegen gibt“, sagte der Estanciero. „Wir reiten eben, und zwar sofort.“
„Noch nicht. Wir müssen uns anders als zu einem gewöhnlichen Ritt ausrüsten. Wir dürfen uns nicht wegen der Nahrung aufzuhalten haben, müssen also einen Speisevorrat mitnehmen, welcher für mehrere Tage ausreicht, und die besten Pferde.“
„Dafür wird schleunigst gesorgt werden.“
„Viel Geld, um Ihren Bruder loszukaufen, im Falle es nicht gelingt, ihn auf andere Weise zu befreien.“
„Ich werde mich mit demselben versehen. Nun aber sind wir fertig, und ich will den Gauchos sagen, daß –“
„Bitte!“ unterbrach ich ihn. „Haben Sie Gauchos, welche die Grenze kennen?“
„Nein.“
„So können wir sie nicht gebrauchen. Je mehr Leute wir mitnehmen, desto schwieriger wird unsere Aufgabe. Fünfzig bringen wir doch nicht zusammen, und so viele müßten wir doch haben, um den Bolamännern gleichzählig zu sein und sie offen anpacken zu können. Da dieses letztere nicht möglich ist, so sind wir auf List angewiesen. Sind wir zahlreich, so werden wir leicht bemerkt. Darum, je weniger Leute, desto besser.“
„Ich gebe Ihnen vollständig recht“, sagte der Frater. „Gewalt möchte ich vermeiden. Blut soll nicht fließen. Wenige, aber tüchtige Männer werden mehr erreichen, als eine große Schar, welche die Aufmerksamkeit auf uns lenkt.“
„Sie sagen: auf uns lenkt?“ fragte ihn der Estanciero. „Sie drücken sich so aus, als ob Sie sich uns anschließen wollen?“
„Jawohl reite ich mit!“
„Aber, bedenken Sie! So ein anstrengender und sogar gefährlicher Ritt und Ihr Stand –“
„Hindert mich der, ein guter Reiter zu sein?“
„Nein, gewiß nicht. Aber vielleicht müssen wir kämpfen!“
„Nun gut, so kämpfen wir!“
Der Estanciero trat einen Schritt zurück und sah dem Bruder erstaunt in das Gesicht.
„Kämpfen? Sie selbst auch?“ fragte er.
„Wer verbietet es mir? Soll ein Laienbruder, wenn er angegriffen wird, sein Leben nicht verteidigen dürfen? Soll er sich der Vergewaltigung und Überlistung anderer nicht kräftig erwehren dürfen?“
„Auf diese Fragen verstehe ich nicht zu antworten, Señor. So wie Sie, gerade so würde der berühmte Frater Jaguar sich aussprechen.“
„Kennen Sie diesen?“
„Gesehen habe ich ihn noch nicht, desto mehr aber von ihm gehört. Er gehört eigentlich zu den Mönchen von Tucuman, befindet sich aber stets auf Reisen. Er geht zu den Indianern des Urwaldes, der Pampa und der Cordillera. Er fürchtet keine Gefahr; er greift den Jaguar mit dem Messer an und flieht vor keinem Bravomann. Man fürchtet ihn, obgleich er kein Blut vergießt, denn er steht jedem Bedrängten bei und besitzt eine ungeheure Körperkraft, die ihresgleichen sucht. Haben Sie, der Sie sein Kollege sind, noch nichts von ihm gehört?“
Der Frater antwortete lächelnd:
„Nur von Leuten, welche ihn noch nicht gesehen haben. Diejenigen, welche ihn kennen, pflegen zu mir nicht von ihm zu sprechen.“
„Señor, sollte ich vielleicht ahnen, daß Sie selbst der Bruder Jaguar sind?“
„Ich bin es allerdings, den man so zu nennen pflegt.“
„Dann sind Sie mir zehnfach willkommen, und dann glaube ich auch gern, daß Sie sich uns anschließen wollen.“
„Ich reite nicht etwa mit aus purer Kampfes- oder Abenteuerlust, Señor. Ihr Bruder will mit diesem Señor und seinen Yerbateros nach dem Gran Chaco. Da ich dort auch zu tun habe, bat ich um die Genehmigung, mich anschließen zu dürfen. Sie wurde mit erteilt, und so habe ich mich als den Gefährten und Kameraden Ihres Bruders anzusehen und bin ihm zu Beistand verpflichtet. Töten werde ich keinen seiner Widersacher, denn Menschenblut, selbst das des ärgsten Feindes, darf meine Hände nicht beschmutzen; aber ich kenne den Grenzfluß genau und glaube also, Ihnen gute Dienste leisten zu können.“
„Ich danke Ihnen von Herzen. Übrigens müssen wir auch mit dem Umstand rechnen, daß mein Bruder sich gar nicht bei den Bolamännern befindet, sondern unterwegs einen Unfall erlitten hat. Er kann vom Pferd gestürzt sein und nun auf einem Rancho liegen.“
Er hatte dies kaum gesagt, als ein Peon meldete, daß ein Reiter unten im Hof sei,
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