34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
eines Heiligen.
„Er ist entschlafen, ehe der Priester kam“, sagte er. „Requiescat in pace! Er ging von uns voller Vertrauen auf die Gnade des Allbarmherzigen. Leben heißt kämpfen; sterben heißt siegen. Preis sei Gott, der uns den Sieg verliehen hat durch Jesum Christum, unsern göttlichen Heiland!“
Die Trauer um den Toten war tief und aufrichtig; doch trat die profane Notwendigkeit in ihre Rechte. Es war nicht mehr so zeitig, wie wir aufzubrechen beschlossen hatten. Bürgli machte uns den Vorschlag, nicht unsere Pferde, sondern zwei der seinigen zu nehmen. Der Frater wollte bei dem Begräbnis zugegen sein, und auch ich wurde gebeten, teilzunehmen. Da konnten wir die Pferde zurückbringen. Bürgli wollte den Geistlichen bitten, einen Tag bei ihm zu verweilen. Unterdessen hatten die unseren ausgeruht und waren größeren Anstrengungen sofort gewachsen. Natürlich gingen wir gern auf dieses Anerbieten ein, und der Abschied war ein zwar sehr herzlicher, aber kurzer, da wir ja sehr bald wiederkommen wollten. Wir ritten nur ganz kurze Zeit auf dem Weg, auf welchem ich mit Monteso als Gefangener gekommen war. Die Bolamänner hatten so viel wie möglich alle im geraden Weg liegenden Siedlungen vermieden und waren aus diesem Grund oft zu Umwegen gezwungen gewesen. Wir aber hatten das nicht nötig.
Bruder Hilario kannte die Gegend sehr genau. Er wußte alle Terrainschwierigkeiten zu vermeiden, und da wir die geradeste Richtung einschlugen, ritten wir zwei volle Stunden weniger, als ich mit den Kavalleristen gebraucht hatte.
Es war nicht viel über die Mittagszeit, als wir die Estancia del Yerbatero erreichten. Dort sprangen wir von den Pferden, übergaben dieselben den Peons und gingen in das Haus. Droben im Empfangszimmer fanden wir einen Herrn, welcher uns fragend entgegenblickte. Seine Züge waren denjenigen des Yerbatero so ähnlich, daß ich in ihm sogleich Señor Monteso, den Haziendero erkannte.
„Willkommen, Señores!“ sagte er, indem er uns musternd betrachtete. „Aus Ihrer ledernen Kleidung, von welcher man mir gesagt hat, muß ich vermuten, daß Sie der deutsche Herr sind, mit welchem mein Bruder fortgeritten ist?“
„Der bin ich“, antwortete ich. „Und dieser Herr ist Frater Hilario. Wo ist denn Ihr Bruder?“
„Er ist doch bei Ihnen“, entgegnete er erstaunt. „Ich kam gestern am Nachmittag von meiner Reise zurück und fand meine Frau in Besorgnis um Sie. Und diese Besorgnis hat sich natürlich bis jetzt gesteigert.“
„Aber er ist doch bereits gestern gegen abend von dem Rancho nach hier aufgebrochen!“
„Er ist nicht angekommen“, sagte er. „Sollte ihm gar ein Unglück widerfahren sein?“
„Wenn er nicht zurückgekehrt ist, so muß man allerdings auf einen Unfall schließen“, meinte ich betroffen. „Vielleicht haben die Bolamänner ihm wieder aufgelauert und ihn abermals gefangengenommen!“
„Bolamänner? Ah! Da Sie beide gar bis zum gestrigen Abend nicht da waren und man auch von dem Offizier und seinen Kavalleristen nichts hörte, so zog ich natürlich Erkundigungen ein. Einige meiner Gauchos sagten mir, daß sich eine beträchtliche Reiterschar habe sehen lassen. Über den Zweck der Anwesenheit dieser Leute konnte ich aber nichts erfahren. Sie sind ebensoschnell verschwunden, wie sie gekommen waren.“
„Sie kamen, um mir und Ihrem Bruder aufzulauern. Man nahm uns schon einmal gefangen.“
„Dios! Ist das möglich?“
„Man sollte es freilich für unmöglich halten. Man bemächtigte sich unser so schnell, daß an einen Widerstand gar nicht zu denken war. Übrigens zählten sie über fünfzig Reiter, waren uns also weit überlegen.“
„Señor, Sie sehen mich im höchsten Grad erstaunt, ja sogar erschrocken. Sie scheinen sich in großer Gefahr befunden zu haben, welche meinen Bruder auch jetzt noch umfängt. Kommen Sie schnell zu meiner Frau! Sie müssen erzählen, was geschehen ist. Die Damen haben so viel und gut von Ihnen gesprochen. Es sollte mir leid tun, wenn mein Haus Ihnen Unheil gebracht hätte.“
„Darüber kann ich Sie beruhigen, Señor. Ihr Haus und dessen Bewohner tragen nicht Schuld an dem, was geschehen ist. Es ist wohl nur auf meine Person abgesehen gewesen, und Ihr Bruder hat mitleiden müssen, weil er sich bei mir befunden hat.“
„So kommen Sie schnell, damit wir erfahren, was sich ereignet hat!“
Er führte uns zu den Damen, welche natürlich ebensolche Besorgnis zeigten, als sie hörten, daß Monteso sich eigentlich längst
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