34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
fassen aber sofort nach mir, wenn ich denselben nehmen will. Verstanden?“
Ich sagte das geflissentlich laut und hustete dabei einigemal, damit er nicht hören sollte, daß ich während des Sprechens den Hut von der Bank weg und zu mir herüberzog.
„Keine Sorge!“ sagte er. „Werde schon aufpassen. Geben Sie sich nur Mühe!“
Ich ging lauten Schrittes nach der Ecke, band den Hut los, stäubte ihn ab und schlang mir den Lasso wieder um die Hüften. Dann legte ich mich auf den Boden und kroch nach der Bank. Jetzt war er ganz überzeugt, daß ich ebenso wie vorhin von der linken Seite kommen werde. Daher richtete er seine ganze Aufmerksamkeit nach dieser Seite. Ich erreichte die Bank und richtete mich neben ihm auf. Mich an die Wand lehnend, zog ich eine Zigarre hervor, strich ein Zündholz an und sagte:
„Jetzt kann ich wieder rauchen, denn den Hut habe ich.“
„Wirklich!“ rief er und griff nach der Stelle, von welcher der Hut verschwunden war.
„Ja, da sitzt er auf meinem Kopf. Hier haben Sie ihn wieder, Frater Hilario.“
„Unbegreiflich! Ich schaute nach links, und da stehen Sie rechts. Aber wie ist denn das zugegangen?“
„Das mag einstweilen mein Geheimnis bleiben. Sie sehen, daß es sehr leicht möglich ist, sich Ihnen zu nähern und Ihnen sogar den Hut zu nehmen, ohne daß Sie es bemerken. Glauben Sie nun, was Sie vorhin bezweifelten, nämlich, daß ich mich in nächtlicher Finsternis von draußen hereinmachen und neben Sie setzen würde, ohne daß Sie es bemerken?“
„Ja, jetzt glaube ich es.“
„Nun werden Sie wohl auch meiner Ansicht sein, daß ich mich schwerlich von Ihren Indianern überlisten lassen würde. Ich gestehe Ihnen aufrichtig, daß ich mich auf den wilden Chaco freue, besonders da ich ihn und seine Indianer an Ihrer Seite kennenlernen soll.“
„Sind auch die andern verlässige Leute?“
„Ich kenne sie nicht und habe sie noch nicht prüfen können. Als Yerbateros sind sie jedenfalls tüchtig.“
„Hm! Sie sagten vorhin, daß sie zu anderen Zwecken nach jener Gegend wollten, und ich weiß nicht, ob das Können eines Yerbatero diesen Zwecken gewachsen ist.“
„Ich verstehe, Bruder Hilario! Der Zweck, welchen sie verfolgen, soll geheimgehalten werden. Aber Sie werden uns begleiten und doch bald erraten, um was es sich handelt. Sie wollen einen berühmten Sendador aufsuchen, um mit ihm in die Cordillera zu gehen und nach vermauerten und versenkten Schätzen zu suchen.“
„Und Sie gehen mit?“
„Ja. Ich soll, sozusagen, den Ingenieur dieses Unternehmens machen.“
„Worin sollen diese Schätze bestehen?“
„Aus Gefäßen, Schmucksachen und ähnlichen Dingen aus der Inkazeit.“
„Weiß man die Orte?“
„Man hat Pläne derselben.“
„Von wem?“
„Der Sendador hat sie von einem Padre geerbt, welcher unterwegs in der Cordillera gestorben ist.“
Er hatte ruhig gefragt und ich ihm auch unbefangen geantwortet. Ich wußte ja nicht, ob er von dem Kranken erfahren hatte, daß auch ich von der Angelegenheit wisse. Jetzt sagte er:
„Wollen nicht Verstecken spielen! Sie wissen, daß mir diese Angelegenheit nicht unbekannt ist?“
„Ich denke es mir. Der Kranke hat sich Ihnen jedenfalls anvertraut.“
„Ich kann darauf jetzt nicht antworten. Doch werde ich zu einer gewissen Zeit und unter gewissen Verhältnissen und Umständen sprechen. Ich bin entschlossen, mit den Yerbateros zu reisen. Ich muß diesen Sendador sehen. Doch warne ich Sie, den ersteren und am allerwenigsten den letzteren etwas ahnen zu lassen. Mein Weg hätte mich für dieses Mal über Santa Fé und Santiago nach Tucuman geführt. Es ist mir kein Opfer, ein wenig nach links und in den Gran Chaco abzuschweifen. Wir brechen frühzeitig auf, und ich bekomme da gleich Gelegenheit, die fünf andern Männer kennenzulernen, mit denen wir reisen werden. Jetzt möchte ich einmal nach dem Kranken schauen.“
Dieser schlief noch immer. Er schlief auch noch, als wir das Abendbrot eingenommen hatten; den Priester konnten wir erst nachts erwarten. Dann saßen wir ernst beieinander und sprachen von der Heimat, an welcher das Herz des Deutschen selbst dann noch hängt, wenn er sich eine Existenz in der Ferne gegründet hat. Gegen Mitternacht hörten wir seinen leisen Ruf. Der Frater ging hinaus zu ihm und holte dann das Ehepaar. Ich hörte eine Zeitlang den unterdrückten Ton ihrer Stimmen. Dann wurde es still. Später kamen sie zu mir zurück, die beiden weinend und der Bruder mit dem Gesicht
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