34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
Schilf. Fenster gab es nicht, sondern nur eine Tür, welche jetzt geöffnet war. Auf einem primitiven, auch aus Rasenerde gebildeten Herd brannte ein kleines Feuer, welches uns durch die offene Tür entgegengeleuchtet hatte. Über dem Feuer stand ein eiserner Topf, in welchem eine dicke, übelriechende Masse brodelte. Kein Mensch war in der Hütte.
„Hier wohnt der Indianer?“ fragte ich.
„Ja.“
„So ist er daheim. Man kocht hier, folglich muß jemand zu Hause sein.“
„Höchstwahrscheinlich seine Frau. Lassen Sie uns sehen, was sie da zusammenbraut!“
Wir traten in den engen Raum. Der Bruder sah in den Topf und sagte:
„In diesem Gefäß steckt der Tod für mehrere hundert Geschöpfe. Es ist Pfeilgift.“
„Wirklich! Das berühmte oder vielmehr berüchtigte Gift der Indianer! Lassen Sie mich sehen!“
Ich sah freilich nichts als die schon erwähnte Masse, welche eine grünliche Farbe hatte und beinahe die Konsistenz des Sirups besaß. Ein Stück Holz steckte in dem Topf, um als Rührlöffel zu dienen. Der Frater rührte, zog das Holz heraus, an welchem ein Teil der Masse kleben blieb, nahm mit der Fingerspitze ein wenig weg, kostete es und sagte:
„Ja, es ist Pfeilgift. Ich kenne den Geschmack.“
„Sie essen davon?!“
„Das ist nicht gefährlich. Im Magen schadet das Gift gar nichts. Es äußert seine entsetzliche Wirkung nur dann, wenn es in das Blut kommt.“
„Kennen Sie das Rezept?“
„Nein. Der Indianer verrät es selbst seinem besten Freund nicht. Man nimmt den Saft der Wolfsmilch, die Giftzähne und den Giftbeutel von Schlangen und die grünen Ranken einiger Kräuter und Schlingpflanzen, deren Namen ich nicht kenne. Diese Ingredienzen werden bis auf Sirupdicke eingekocht und bilden nach dem Erkalten eine harz- oder seifenartige Masse, welche vor dem Gebrauch stets wieder aufgewärmt wird.“
„Hält sie sich lange Zeit?“
„Bis anderthalb Jahre, nämlich, wenn sie nicht schimmelig oder brüchig wird. Die Spitzen der Pfeile werden damit vergiftet. Hier sind welche.“
Der Frater schien in der Hütte genau bekannt zu sein. Er trat in eine Ecke und hob ein kleines Schilfbündel empor und öffnete es. Nun sahen wir, daß das Schilf eine Anzahl von wohl fünfzig Pfeilen umschlossen hatte, die aus den harten und nicht viel über fingerlangen Dornen einer Schlingpflanze bestanden. Die Spitzen waren, wie wir an der Färbung sahen, in das Pfeilgift getaucht. Die andern Enden waren, um die Geschosse flugfähiger zu machen, mit der Wolle von Bombax Ceiba befiedert. Die kleinen, niedlichen Waffen sahen gar nicht so gefährlich aus wie sie waren.
Vom Boden der Hütte bis zur Spitze der trichterförmigen Decke lagen drei oder vier schwache, runde Stangen, deren Zweck ich nicht erriet. Der Bruder nahm eine derselben, zeigte sie mir und sagte:
„Sie ist hohl, nicht wahr? Das sind Blasrohre, durch welche die Giftpfeile geschossen werden. Man fertigt sie entweder aus einem glatten, geraden Palmentrieb oder aus Colihué-Rohr.“
„Wie weit schießen die Indianer mit so einem Ding?“
„Über vierzig Schritte, und zwar sicher und völlig lautlos.“
„Binnen welcher Zeit tötet es?“
„Affen und Papageien binnen wenigen Sekunden, den Jaguar und den Menschen in zwei bis höchstens drei Minuten.“
„Und welches Gegenmittel gibt es?“
„Keins.“
„Das ist ja eine schreckliche Waffe! Warum duldet man es, daß die Indianer sich derselben bedienen?“
„Erstens, weil man keine Macht hätte, einem solchen Verbot Nachdruck zu geben, und zweitens, weil der Indianer nur mit Hilfe dieses Giftes Herr seiner Feinde aus dem Tierreich zu werden vermag. Ohne das Pfeilgift wären die Wälder unbewohnbar. Die Raubtiere, denen der Wilde im sichern Versteck auflauert, würden sich so vermehren, daß die Menschheit fliehen müßte. Ein Jaguar, ein Puma braucht von so einem Pfeil nur ganz leicht geritzt zu werden; die Spitze desselben braucht nur das kleinste Haaräderchen zu treffen, so ist das Tier dem sichern Tod geweiht.“
„Aber es ist vergiftet und also unbrauchbar!“
„Sie meinen ungenießbar? O nein. Das Gift wirkt nur dann, wenn es direkt, also durch eine Wunde mit dem Blut in Berührung kommt. Das Fleisch eines Wildes, welches mit einem solchen Pfeil erlegt wurde, ist vollständig genießbar. Sie können getrost davon essen. Ich habe es viele hundert Male getan, ohne daß es mir Schaden gebracht hat.“
Er hielt inne, denn gerade in diesem Augenblick tauchte eine Gestalt
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