34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
richtig“, stimmte der Frater bei. „Da wir aber erst den Indianer aufsuchen müssen, so kann es auch später werden. Er wohnt in der Nähe des Flusses; aber er ist nur selten daheim. Wenn sein Weib uns keine Auskunft geben kann, so werden wir zu warten haben, bis er kommt, oder wir sind gezwungen, ihn zu suchen.“
„Indessen kommen unsere Gegner über den Fluß.“
„Gewiß nicht, denn sie müssen ja die Rückkehr des Lieutenants erwarten. Brechen wir jetzt auf! Die Pferde haben sich erholt.“
So ging es also wieder weiter, immer nach Westen zu. Am Mittag rasteten wir kurze Zeit auf einem Rancho, wo man von den Bolamännern kein Wort wußte und auch den Namen der Krokodilhalbinsel nie gehört hatte. Am Nachmittag kamen wir noch an andern Siedlungen vorüber, konnten aber nirgends eine Auskunft erhalten. Wir befanden uns jetzt im Gebiet zweier kleiner Flüsse, welche in den Uruguay gehen. Wir ritten ungefähr in der Mitte zwischen ihnen, und da bot sich eine ganz andere Vegetation unsern Augen dar. Der Boden trug zwar immer noch das Camposgras, aber es erschienen Büsche und später auch Bäume, welche das Bestreben hatten, einen Wald zu bilden, was ihnen aber freilich nicht gelingen wollte. Das, was Wald sein wollte, konnte besser Park genannt werden, denn die Bäume standen licht und nicht in der Weise, welcher der Deutsche fordert, wenn er von einem geschlossenen Forst sprechen soll. Nun passierten wir noch mehrere Bäche und die schmalen Ausläufer von Lagunen, welche an ihrem anderen Ende mit dem Fluß in Verbindung standen. Das Camposgras hörte auf. Schilf und Bambusse traten an seine Stelle. Die Bäume waren meist Laubhölzer, welche von dichten Schlingpflanzen umrankt waren. Die letzteren Gewächse umklammern ihr Opfer, mischen ihre Blätter mit den seinigen und bilden oft vom Boden bis zur Spitze des Baumes eine dichte, grüne Hülle, unter welcher der Baum vollständig verschwindet.
Die Dämmerung wollte sich niedersenken, und wir befanden uns auf einem Terrain, mit welchem im Dunkel der Nacht nicht zu scherzen war. Der Fluß mußte in ziemlicher Nähe sein, denn er schickte schmalere oder breitere Buchten zu uns herüber, welche teils eine helle Wasseroberfläche, oft aber auch eine trügerische Pflanzendecke zeigten, auf welche man in der Dunkelheit sehr leicht geraten konnte. Ich sah ein eigentümliches dickplumpes Tier in einer dieser Buchten plätschern. Es floh bei unserer Annäherung.
„Das war ein Wasserschwein“, erklärte der Frater auf meine Frage.
In einer anderen Bucht sah ich dunkle Baumstämme liegen, deren Enden aus dem Wasser ragten.
„Das sind Krokodile“, belehrte er mich jetzt.
„Und da reiten wir so nahe vorüber?“
„Wir haben von ihnen nichts zu fürchten. Freilich, hineinsteigen in so einen Tümpel möchte ich nicht; da könnten mir ihre Rachen doch gefährlich werden.“
„Mir scheint unser jetziger Pfad überhaupt nicht recht geheuer zu sein!“
„Das ist richtig. Reiten wir einzeln hintereinander, ich voran. Wir kommen jetzt auf ein Terrain, wo man leicht einen Fehltritt tun kann, der einen in den Sumpf bringt.“
„Gibt es keinen andern, bessern Weg zu dem Indianer?“
„Nein, Señor. Er wohnt so, daß man nur auf diese Weise und von dieser Seite an seine Hütte kommen kann. Sie ist eine kleine Festung für ihn.“
Nun ging es still und langsam auf dem weichen, wankenden Boden weiter. Der Frater mußte den Weg sehr genau kennen, da er es wagte, uns hier durchzuführen. Er stieg nicht einmal vom Pferd, was ich an seiner Stelle jedenfalls getan hätte. Nun war es ganz dunkel geworden. Ich konnte nur notdürftig den vor mir reitenden Führer sehen. Dennoch ging es fast noch eine ganze Viertelstunde so fort, bis wir etwas wie einen Lichtschein vor uns sahen.
„Jetzt müssen wir absteigen“, sagte der Bruder. „Jeder nehme sein Pferd beim Zügel und folge seinem Vordermann, ohne nach rechts oder links abzuweichen. Der Pfad ist sehr schmal; er geht mitten durch tiefen Sumpf.“
Wir taten so, wie er angeordnet hatte. Ich fühlte, daß die weiche Erde mir über den Füßen zusammenging wie Teig, und auch mein Pferd setzte nur langsam und zögernd den einen Fuß vor den andern. Das Licht wurde heller. Wir erreichten wieder festen Boden und brauchten den Gänsemarsch nicht mehr einzuhalten. Dann waren wir an Ort und Stelle.
Unter einem nicht hohen, aber breitästigen Baum stand eine Hütte, deren Wände aus Rasen erbaut waren. Das Dach bestand aus
Weitere Kostenlose Bücher