Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

Titel: 34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
aber werde ich wirklich an Ihren irre. Warum duldeten Sie die Grobheiten dieses Mannes?“
    „Um ihn irre zu führen, was mir auch ganz vortrefflich gelungen zu sein scheint. Er sollte mich für ziemlich befangen halten, und das tut er jetzt. Er sollte zu der Überzeugung gelangen, daß wir weder die nötige Klugheit und Einsicht, noch den Mut besitzen, uns hier herauszufinden. Übrigens habe ich jetzt keine Zeit zu langen Erklärungen. Ich muß fort in den Korral.“
    „Was wollen Sie dort?“
    „Davon später! Sehen Sie darauf, daß die bisherige Ordnung bleibt. Lassen Sie vor einer Stunde keinen herein!“
    „Und wenn doch jemand kommt?“
    „So schießen Sie, ganz so, wie ich gesagt habe!“
    Ich ging am Schuppen hin und nach der Tür, welche von dem Rancho aus in den nördlichen Korral führte. Sie bestand aus starken Holzplanken, welche kein Pferd oder Stier einzurennen vermochte. Damit mein Körper hindurch könne, brauchte ich nur zwei dieser Bohlen zurückzuschieben. Dann stand ich im Korral.
    Er war leer. Der Mond war noch nicht aufgegangen, doch konnte ich zur Genüge sehen. Eigentlich hätte die Vorsicht erfordert, den ganzen Platz mit seinen vier Seiten abzusuchen. Aber dazu mangelte mir die Zeit. Auch hegte ich die Überzeugung, daß ich mich in der Lage der Sache gar nicht täusche.
    Ich stand am Eingang, hinter mir der Rancho. Rechts und links zogen sich die zwei Seiten des Korrals, gerade mir quer gegenüber die vierte hin. Diese Seiten bestanden aus hohen Kaktusstauden. In den beiden Ecken, rechts und links schief vor mir, gab es ähnliche Bohlentüren wie diejenige, durch welche ich jetzt gestiegen war. Dort waren Soldaten postiert, damit wir nicht hinaus könnten. Gerade vor mir aber war die Mitte des langen Kaktuszaunes frei. Dort stand gewiß niemand, und dort also mußte ich einen Ausweg bahnen. Ich schritt also nach dieser Stelle.
    Der Boden war von den Tieren weichgestampft, so daß man die Schritte nicht hören konnte. Dazu war der Korral so groß, daß von beiden Seiten sicherlich kein Blick zu mir reichte.
    An der Hecke angekommen, legte ich mich nieder, um zu horchen. Es war kein Mensch da.
    Nun begann die Hauptarbeit, das Schneiden einer Tür in den Kaktus. Wer das für ein Leichtes hält, der irrt sich gar sehr. Erstens durfte ich nicht etwa ein Loch schneiden, denn es wäre sehr leicht möglich gewesen, daß jemand vorüberkam, der dasselbe bemerkte, noch bevor wir es hatten benutzen können. Nein, es mußte ein Tür geschnitten werden, welche bis zum Augenblick der Flucht nicht geöffnet werden durfte. Das macht man folgendermaßen:
    Der Kaktus bildet eine mehr oder weniger hohe und dicke, stets aber fest verwachsene Wand. In diese Wand schneidet man nun, aber durch und durch, eine ganz schmale, vielleicht nur zwei oder drei Finger breite Lücke von oben nach unten. Dann schneidet man von dieser Lücke aus eine mehr als doppelt so breite waagerecht unten in der Nähe des Bodens hin. Dadurch entsteht im Zaun ein Doppellinienschnitt, welcher einen rechten Winkel bildet. So ist nun die Tür fertig.
    Sie ist links und unten von der Hecke getrennt und hängt rechts noch vollständig mit derselben zusammen. Die einzelnen Teile, Stauden, Stengel, Zweige und Blätter vermögen ihre Stacheln noch fest ineinander zu greifen. Die Tür bildet also eine feste Fläche. Da nun der Zaun nicht dürr, sondern saftig, lebend ist, so läßt sich diese Tür wie in einer Angel bewegen.
    Aber wie unendlich schwierig ist es, die beiden Schnitte zu machen! Man muß ein ausgezeichnetes Messer haben, und glücklicherweise war mein Bowieknife ein solches, und trotzdem kommt man nicht durch, wenn der Kaktus trocken ist. In diesem Fall entsteht auch zu starkes Geräusch, durch welches man verraten wird. Darum sucht man sich möglichst saftige und zugleich dünne Stellen des Kaktus aus. Dann ist es notwendig, sich vor den Stacheln zu schützen, deren jeder, wenn er sich in das Fleisch sticht und dort abbricht, eine langsam schwärende, sehr schmerzhafte Wunde verursacht.
    Hier ist nun ein lederner Jagdrock von außerordentlichem Vorteil. Man knüpft ihn zu, zieht den Kragen hoch, stülpt den Hut tief herein und zieht die Ärmel weit vor über die Hände. So legt man sich zur Erde nieder, schiebt sich an die Stacheln von unten heran, sie mit dem Rücken hebend und zerdrückend und dabei mit dem Messer weiter arbeitend. Und das muß geräuschlos geschehen, damit man nicht entdeckt wird! Aber Übung und Vorsicht

Weitere Kostenlose Bücher