34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
nicht ein!“
„Ich kann gehen, wenn ich will?“
„Sobald es Ihnen beliebt.“
„Schön! So beraten Sie! Aber ich gebe Ihnen nochmals zu bedenken, daß es für Sie kein Entrinnen gibt.“
Ich verließ ihn und ging wieder hinaus.
Ohne daß ich es den Gefährten gesagt hatte, wußten sie, daß der Augenblick jetzt gekommen sei. Sie hatten sich alle, während ich in der Stube war, nach dem Eingang des Korrals geschlichen und dort auch bereits das Pferd losgebunden. Dort erwarteten sie mich mit meinen Gewehren, welche ich nicht mit in die Wohnung hatte nehmen können.
„Fort?“ fragte der Oberst.
„Ja“, antwortete ich. „Schnell, aber leise. Doch vorher schieben wir von innen die Planken wieder vor, damit der Major nicht sofort merkt, wo wir hinaus sind.“
Das wurde getan, dann machten wir uns auf den Weg. Das Pferd führte ich, da es in meiner Hand am ruhigsten war. An der Hecke angekommen, zog ich die künstlich-natürliche Tür mit meinem Flintenlauf auf und huschte hinaus. Niemand war zu hören und zu sehen. Die andern kamen nach. Dann schritten wir möglichst leise und gradaus ins Feld hinein. Dabei legte ich meinem Pferd die Hand auf die Nase, damit es nicht schnauben oder gar wiehern solle. Erst ungefähr sechshundert Schritte von der Kaktushecke entfernt hielt ich an.
„Was hier?“ fragte der Oberst. „Warum nicht weiter fort.“
„Zu Fuß? Damit sie unsre Spuren finden, wenn es Tag ist, und uns einholen? Nein, wir müssen Pferde haben.“
„Ah! Woher aber nehmen?“
„Von den Soldaten.“
„Stehlen?“
„Ja. Unter diesen Verhältnissen halte ich das für keine Sünde, zumal ich vollständig überzeugt bin, daß keiner dieser Männer sein Pferd ehrlich bezahlt hat.“
„Aber, Señor, wenn man Sie bemerkt, werden Sie ergriffen, oder man entdeckt uns!“
„Keins von beiden.“
„Wie wollen Sie es denn anfangen, um zehn Pferde zu erhalten?“
„Das kommt darauf an, wie ich die Verhältnisse finde.“
„Hm! Sie benehmen sich ja wie ein professionierter Pferdedieb!“
„Das muß man auch, wenn man Pferde stehlen will. Nur Señor Mauricio Monteso mag mich begleiten. Wir nehmen die Gewehre nicht mit, denn ich glaube, daß wir nur die Messer brauchen werden. Die andern warten, bis wir wiederkommen.“
„Pferde stehlen!“ lachte der Yerbatero leise vor sich hin. „Das wird höchst interessant. Ich gehe gar zu gern mit.“
Wir schlichen miteinander dem Kaktuszaun wieder zu, aber weiter nach rechts, da, wo ich Soldaten vermutete. Bald hörten wir das Schnauben von Pferden.
„Legen Sie sich jetzt auf den Boden“, flüsterte ich dem Yerbatero zu. „Und kriechen Sie hinter mir her, aber leise, ganz leise!“
„Werden wir denn Pferde bekommen?“ fragte er gespannt.
„Gewiß. Die besten, die es gibt. Und ich will noch mehr, weit mehr.“
„Stehlen?“
„Ja. Einen Menschen sogar!“
„Sind Sie bei Sinnen?“
„Sehr gut. Aber sprechen Sie leiser! Sonst entgeht mir der Fang, den ich machen will.“
„Sie werden uns dadurch den Pferdediebstahl verderben und sich und mich ganz unnötigerweise in Gefahr bringen.“
„Wenn ich das bemerke, so lasse ich ab davon.“
„Auf wen haben Sie es denn abgesehen, Señor?“
„Auf keinen andern als auf den Herrn Oberlieutenant Antonio Gomarra.“
„Warum auf diesen?“
„Um ihn für seinen Übermut zu bestrafen und weil er diese Gegend sehr genau kennt. Er ist der Führer dieser Leute. Zwinge ich ihn, mit uns zu reiten, so vermögen sie uns nicht zu folgen, während seine Ortskenntnis uns zugute kommt.“
„Das ist klug!“
„Nicht wahr? Aber wir müssen uns beeilen. Es sind nun, seit ich den Major verlassen habe, über zehn Minuten vergangen. Er wird noch ganz ahnungslos beim Fleisch sitzen. Aber sobald er bemerkt, daß wir verschwunden sind, wird er ein lautes Hallo erheben. Kommen Sie also weiter!“
Wir brauchten gar keine bedeutende Strecke zurückzulegen. Bereits nach ganz kurzer Zeit sahen wir die Gestalten von weidenden Pferden vor uns. Das uns nächste war höchstens zwölf Schritte von uns entfernt.
„Warten Sie!“ flüsterte ich dem Yerbatero zu. „Verlassen Sie diesen Ort nicht eher, als bis ich zu Ihnen zurückkehre!“
Wo weidende Pferde sind, muß sich auch der Hirte, der Aufseher, der Posten befinden. Dieser war unschädlich zu machen. Ich schob mich also weiter und weiter fort, bis ich mich inmitten der Pferde befand. Und da sah ich hinter zweien nebeneinander stehenden Tieren nicht einen,
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