34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
gekehrt. Man konnte ihn nur schwer zum Sprechen bringen. Er schien etwas auf dem Herzen zu haben. Wissen Sie nichts davon?“
Ich antwortete ausweichend. Der Sterbende hatte mir gestanden, daß er gesehen habe, wie ein Mensch – der Sendador – einen anderen tötete. Der Mörder nahm ihm einen Schwur ab, daß er ihn niemals verraten wolle. Dasselbe erzählte der Sterbende dem Frater. Es war sicher, daß der Ermordete Gomarras Bruder und der Mörder der Sendador war.
Ich antwortete also:
„Warum sollte er mich zu seinem Vertrauten gemacht haben, da er mit anderen, die er weit besser kannte, nicht sprach?“
„Nun. Vielleicht haben Sie ein besonderes Interesse, über diesen Punkt etwas zu erfahren?“
„Möglich. Hat dieser Gambusino gewußt, daß Ihr Bruder ermordet worden ist?“
„Nein. Ich habe ihm nichts davon gesagt, da ich überhaupt nicht davon sprach. Übrigens war ich nur ganz zufällig und vier Stunden mit ihm beisammen. Er ließ merken, daß er lieber allein sei. Da ich ganz denselben Wunsch hatte, so gingen wir, wenn wir uns je einmal trafen, nach etlichen Fragen und kurzem Gruß schnell wieder auseinander. Ich erfuhr nichts von ihm und er nichts von mir.“
„Also das ist der einzige Mensch, den Sie jemals da oben getroffen haben?“
„Wenigstens der einzige, die Wollmausjäger natürlich ausgenommen, von welchem man sagen konnte, daß er in ehrlicher Absicht in die Berge gegangen sei.“
„So gibt es also auch Leute, von denen man das nicht sagen kann?“
„Ja. Das sind Halunken, welche sich für Arrieros ausgeben und den Reisenden weismachen, daß es dahinauf einen guten Übergang über die Anden gebe. Solche Reisende verunglücken stets. Man hört nie wieder von ihnen; die Führer aber, die Arrieros, kommen stets glücklich zurück. Und so einem Menschen ist mein Bruder in die Hände gefallen.“
„Das möchte ich doch bezweifeln, weil er doch wohl ebensogut wie Sie die Verhältnisse kannte. Er wird sich also nicht einem solchen Menschen anvertraut haben.“
„Das hat er auch keinesfalls. Aber er ist von ihm überfallen und ermordet worden.“
„Wie können Sie da wissen, wie die Tat sich zugetragen hat? Wenn er ermordet wurde, kann er es doch Ihnen nicht gesagt haben.“
„Er lebte noch; der Mörder ließ ihn für tot liegen.“
„Und so fanden Sie ihn?“
„Ja, Señor. Das Herz bebt mir noch heute im Leib, wenn ich daran denke. Wir hatten ihn zurückgelassen und waren aufwärts geritten. Vom See weg krümmt sich der Bergpfad in engen Serpentinen von einem Felsenabsatz zum nächsten empor. Tritt man an die Kante dieser Absätze, so kann man den darunterliegenden genau überblicken. Wir ritten sehr langsam, damit mein Bruder uns bald einholen könne. Nach einiger Zeit begegnete uns ein Arriero, welcher allein von den Bergen kam. Das mußte uns auffallen, zumal er zwei Maultiere hatte.“
„So hatte er einen Reisenden über das Gebirge geführt und kehrte nun allein zurück, weil er drüben niemand fand, der die Reise zurück mitmachen wollte.“
„So sagte er auch.“
„Also haben Sie mit ihm gesprochen?“
„Nein, ich nicht, sondern meine Gefährten. Ich war zufällig seitwärts geritten, um von einer Höhe nach meinem Bruder auszuschauen. Als ich mich wieder zu den andern fand, war der Arriero schon wieder fort.“
„Haben sie ihn nach seinem Namen gefragt?“
„Ja. Er hat ihnen allerdings einen genannt; aber durch fortgesetzte Nachfragen überzeugte ich mich, daß es ein falscher gewesen war, denn einen Arriero, einen Andenführer dieses Namens hatte es gar nicht gegeben.“
„Aber sie würden ihn wohl wieder kennen, wenn sie ihn jetzt sähen?“
„Gewiß; aber sie sind nicht mehr da. Einige sind in den Bergen verunglückt; einer ging ins Brasilien hinein und ist nicht wiedergekommen, und die andern kamen in den Kämpfen dieses Landes ums Leben.“
„So sind Sie freilich auf sich allein angewiesen, ohne allen Anhalt als den Ort der Tat, den Sie wissen, und – die Flasche, von welcher Sie sprachen. Welche Bewandtnis hat es mit dieser?“
„Lassen Sie es sich erzählen! Es war Mittag geworden, als wir anhielten. Wir wollten jetzt nicht eher weiter, als bis mein Bruder zu uns gestoßen sei. Aber wir warteten vergeblich. Mir wurde es angst und bange, denn nach allem, was die Gefährten mir von dem Arriero sagten, mußte er mir verdächtig vorkommen. Ich brach also auf, um zurückzureiten, und nahm noch einen Kameraden mit. Die Tage waren kurz und
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