34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
nicht, was Sie mit mir vorhaben. Aber Sie haben eine Art und Weise, welche keine Angst und auch keine wirkliche Feindschaft aufkommen läßt. Ich sehe ein, daß ich mich sehr, sehr in Ihnen geirrt habe. Ich hörte auf dem Ritt hierher Ihre Gespräche und weiß nun, was für ein Mann Sie sind. Sie allein sind es, dem es zu verdanken ist, daß Ihre kleine Gesellschaft uns entkommen konnte. Und wenn ich bedenke, wie Sie sich meiner bemächtigt haben, so möchte ich meinen, Sie müßten alles können, was Sie nur wollen. Dazu habe ich während unseres jetzigen Rittes gehört, daß Sie nicht hier bleiben, sondern nach dem Gran Chaco wollen. Beabsichtigen Sie das wirklich?“
„Jawohl.“
„Und dann gar nach dem Gebirge?“
„Vielleicht über dasselbe hinüber bis nach Peru.“
„Hm! Letzteres ist es, was mir den Mund öffnet. Vielleicht könnten Sie durch Zufall die Spur finden, nach welcher ich bisher vergeblich geforscht habe. Das Blut meines Bruders schreit nach Rache. Ich fühle und höre diesen Schrei des Tages und des Nachts in meinem Innern, und doch ist er bis heute ohne allen Erfolg erklungen. Sollten aber Sie in jene Gegend kommen, so ist es mir, als ob Ihrem Auge die betreffende Spur nicht entgehen könne.“
„Trauen Sie mir nicht so viel zu! Wie alt ist diese Spur?“
„Freilich viele Jahre. Aber es gibt noch einen Punkt, an welchem sie beginnt und von dem aus ich sie immer wieder aufgenommen habe, um sie aber stets gleich wieder zu verlieren. Könnte ich Sie an diese Stelle bringen, so würden Sie vielleicht – doch nein, es ist ja gar nicht menschenmöglich!“
„Was?“
„Daß jemand, und sei er noch so klug und noch so scharfsinnig, den Mörder zu entdecken vermag, wenn man ihn nach einer so langen Reihe von Jahren nach der Stelle führt, an welcher die Tat geschehen ist.“
„Das ist freilich fast undenkbar.“
„Ja, zumal der Ort in einer grausen Einöde liegt, in welcher die Stürme schon nach Tagen jede Spur verwischen.“
„Ist Ihr Bruder dort begraben?“
„Ja.“
„Und sein Grab ist der einzige Anhalt, den Sie für die Auffindung des Mörders jetzt besitzen?“
„Nein. Die Flasche ist zum Glück noch da.“
„Welche Flasche?“
„Die Flasche mit den Schnüren, welche der Mörder dort damals vergraben hat.“
„Schnüren? Meinen Sie etwa Kipus, peruanische Dokumente, in Schnüren geknüpft? Dann dürfen Sie nicht gegen mich schweigen; Sie müssen mir erzählen, was geschehen ist!“
Ich mußte unwillkürlich an den Sendador denken, gegen welchen ja schon früher mein Verdacht erwacht war. Er befand sich jetzt nur im Besitz der alten Zeichnungen, der beiden Pläne; von den Kipus hatte er zu dem Yerbatero nichts gesagt. Jedenfalls hatte er sie versteckt, damit sie nicht etwa in die Hände eines Menschen kämen, welcher sie entziffern und dann den Ort, an welchem die Schätze verborgen waren, aufsuchen und finden könne. Wie nun, wenn das dieselben Kipus wären, von denen jetzt Gomarra sprach! Ich war durch das Gehörte überrascht und hatte die letzten Worte wohl mit größerer Hast ausgesprochen, denn der Indianer fragte:
„Was haben Sie? Sie tun ja ganz erstaunt, Señor!“
„Nun, weil Sie von Kipus sprachen, für die ich mich außerordentlich interessiere.“
„Können Sie solche Schnüren lesen?“
„Hm! Ich habe einige Bücher in den Händen gehabt, welche sich mit der Enträtselung der Kipus befaßten; auch bin ich der betreffenden Sprache leidlich mächtig; dennoch bezweifle ich, daß es mir gelingen würde, solche Schnüren zu lesen.“
„Ist es schwer?“
„Sehr schwer. Eine große Erleichterung aber ist es, wenn man weiß, wovon so ein Kipu überhaupt handelt. Unter dieser Voraussetzung wäre es vielleicht auch mir möglich, die Knoten wenigstens stellenweise zu entziffern.“
„Wüßte ich nur, auf was sich diese Schnüren beziehen!“
„Vielleicht könnte man es erraten? Hängen sie denn mit der Ermordung Ihres Bruders zusammen?“
„Natürlich, Señor!“
„Nun, so erzählen Sie mir doch, wie die Untat sich zugetragen hat! Vielleicht finde ich einen Zusammenhang zwischen ihr und dem Inhalt der rätselhaften Schnüren. Wo ist der Mord geschehen?“
„Droben in der wüsten Pampa de Salinas in den bolivianischen Anden. Kennen Sie dieselbe?“
„Ich war noch nie in Südamerika und also auch noch nicht in den Anden; aber ich habe von der Pampa de Salinas gelesen. Ist die Gegend dort wirklich so traurig, wie man sie
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