34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
hie und da einmal auf einige Wochen, um sich auszuruhen. Als er jetzt kam, es ist vor fast zwei Monaten, erschraken wir über sein Aussehen. Er glich einer Leiche. Von da an hat er seine Stuben nicht mehr verlassen und ist wie das Abbild des Todes. Er weiß genau, daß er sterben muß.“
„So geben Sie sich alle Mühe, ihn dahin zu bringen, daß er sein Herz erleichtere! Es hängt die Seligkeit daran!“
„Sie haben recht, Señor“, sagte der Bruder, indem er mir die Hand drückte. Er hielt inne, denn draußen vor dem Tor erhob sich ein wahrer Heidenskandal. Der Ranchero griff zu seinem Gewehr, welches an der Wand hing, aber der Frater sagte:
„Lassen Sie, Señor Bürgli! Waffen werden wohl nicht nötig sein. Ich glaube, diese Leute bändigen zu können. Aber Sie können mit herauskommen!“
Wir gingen in den Hof, in welchem mein Pferd sich nicht mehr befand. Ein Peon hatte es nach der andern Seite des Hauses geführt, wo die auch von Kaktusgehegen eingeschlossene Pferdeweide sich befand. Sie war von außen ebenso unzugänglich, wie der für die Rinder bestimmte Platz, welcher vorhin erwähnt wurde. Man schlug gegen die Tür, und zehn, zwanzig Stimmen brüllten um Einlaß. Der Bruder öffnete das Guckloch abermals; es wurde still, und ich hörte den Major wieder reden:
„Zum Teufel, wie lange sollen wir warten! Es ist viel mehr als eine halbe Stunde vergangen!“
„So reitet weiter, wenn ihr keine Zeit zum Warten habt!“
„Wir werden reiten, aber ohne den Deutschen nicht! Gebt ihn heraus!“
„Das tun wir nicht.“
„Mann Gottes, bekümmere dich nicht um irdische Dinge! Ich befinde mich auf dem Weg nach meiner Garnison. Ich werde dort erwartet und muß Sie allen Ernstes ersuchen, uns hier nicht aufzuhalten.“
„Kein Mensch hält euch auf, Señor. Reitet fort, so schnell ihr könnt! Ihr tut uns und vielen andern damit einen großen Gefallen!“
„Ohne den Deutschen nicht!“
„Den bekommt ihr nicht. Er befindet sich unter meinem ganz speziellen Schutz!“
„Ich frage nicht nach diesem Schutz und erkenne ihn auch nicht an“, fuhr der Major fort. „Ich gebe Ihnen noch fünf Minuten Zeit. Ist bis dahin der Deutsche nicht ausgeliefert, so werdet Ihr sehen, daß wir uns ihn holen!“
„Ihr würdet nur in Euer Verderben rennen, Señor!“
„Oho! Glaubt Ihr, daß er so sicher bei Euch ist, weil Sie ein Bruder sind? Das bilden Sie sich nicht ein. Ihre Amtswürde ist uns sehr gleichgültig. Wenn Sie uns widerstreben, so machen wir Sie ebenso nieder, wie jeden andern!“
„So machen Sie Ernst! Versuchen Sie es! Ich will Ihnen die Gelegenheit dazu geben.“
Er verschloß das Loch und griff nach den Riegeln. Die beiden schweren Balken flogen zurück, als ob sie Bleistifte seien. Der Frater mußte wahre Riesenkräfte besitzen. Dann öffnete er die beiden Flügel des Tores, so weit es möglich war. Wir konnten hinaussehen und die Kavalleristen herein. Wir sahen sie und sie uns.
„Dort steht der Hund, der mir den Säbel zerbrochen hat!“ rief der Major. „Drauf, Leute!“
Er war ein ganz anderer geworden. Als ich sein Gefangener war, hatte er mich mit wirklicher Höflichkeit behandelt. Jetzt aber war er rücksichtslos. Er hatte seine Pistolen wieder gefunden. In jede Hand eine nehmend, schritt er auf den Frater zu. Seine Leute folgten ihm zögernd. Der Bruder stand mitten in der Toröffnung, hoch aufgerichtet und stolz.
„Zurück!“ gebot er.
Die Bolamänner blieben stehen; der Major aber gehorchte nicht; er schritt weiter.
„Zurück, oder –!“ wiederholte der Bruder, indem er den Arm gebieterisch erhob. Jetzt hielt auch der Offizier den Schritt an. Ich konnte das Gesicht des Bruders nicht sehen; es mußte in demselben ein Ausdruck liegen, welcher dem Major imponierte. Er getraute sich nicht, an ihm vorüberzugehen, doch rief er in zornigem Ton:
„Nun gut, ich will nicht ohne Erlaubnis ein fremdes Haus betreten. Da Sie mir aber den Deutschen nicht ausliefern wollen, so mag die Sache schnell zu Ende gehen. Die Exekution mag gleich jetzt und hier stattfinden.“
Er erhob den Arm, um mit der Pistole auf mich zu zielen.
„Halt! Nieder mit der Waffe!“ donnerte der Frater ihn an.
Der Major erschrak wirklich vor dieser Stimme. Er ließ den Arm sinken, schien sich aber doch zu schämen, denn er richtete die Waffe von neuem auf mich und sagte:
„Pah! Ich lasse mir nichts befehlen, am allerwenigsten von einem Mönch. Dieser Deutsche soll zur Hölle fah –“
Er kam nicht
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