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34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

Titel: 34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schuldig?“
    „Vollständig unschuldig. Ich habe keinem Menschen ein Leid getan. Ich bin ein Fremder, ein ehrlicher Deutscher, welcher noch nicht –“
    „Ein Deutscher?“ rief die eine Frau. „Dann herein, herein, Landsmann! Schnell, schnell! Gleich werden die Bolas sausen!“
    Wirklich fiel eine nach mir geworfene Bola kaum zwanzig Schritte vor mir nieder und überschlug sich einigemale auf der Erde. Ich drückte dem Pferd die Fersen in die Weichen, daß es mit einem Satz durch das Tor in den Hof flog. Männer und Frauen warfen die Torflügel zu. Zwei starke Riegelbalken wurden vorgeschoben.
    Der Hof war nicht sehr groß. Das Haus stieß mit der schmalen Seite an denselben. Neben der Giebelmauer blieb noch Platz für eine starke Bohlentür, welche, wie ich später bemerkte, in einen großen, von einem Kaktuszaun eingeschlossenen Platz führte, auf welchem sich eine Rinderherde befand. Dort waren die bösartigsten Tiere eingeschlossen, welche man nicht auf dem offenen Camp weiden lassen konnte, wenn man Unglück verhüten wollte.
    „Also ein Deutscher sind Sie?“ fragte die Frau in meiner Muttersprache. „Wie freue ich mich, daß wir Sie retten konnten!“
    „Ich danke Ihnen für den großen Dienst, welchen Sie mir geleistet haben! Freilich darf ich meine Rettung leider nur eine einstweilige nennen, und Sie werden sich durch die Wohltat, welche Sie mir erweisen, wahrscheinlich selbst in Gefahr begeben.“
    „O nein. Bruder Hilario ist da; da gibt es keine Gefahr. Das wissen Sie wohl!“
    „Ich weiß es nicht, ich kenne ihn nicht. Ich bin erst seit vier Tagen im Land und –“
    Wir wurden durch ein lautes Pferdegetrappel, Stimmengewirr, Fluchen, Schreien und Türschlagen unterbrochen.
    „Macht auf, macht auf!“ rief es von draußen. „Sonst rennen wir das Tor ein!“
    Da kam der Frater auf mich zu und fragte mich:
    „Señor, ich bitte Sie, mir aufrichtig zu sagen, ob Sie wegen einer Schuld oder wegen eines Vergehens verfolgt werden. Ist es so, dann werde ich zu vermitteln suchen; sind Sie aber schuldlos, dann werden wir Sie verteidigen. Sie stehen unter dem Schutz Gottes und haben von uns jeden Beistand zu erwarten.“
    „Ich gebe Ihnen mein heiliges Wort, daß ich schuldlos bin.“
    „Das genügt, Señor.“
    „Ich werde Ihnen erzählen, weshalb man sich meiner bemächtigen will.“
    „Später, später! Erst wollen wir mit diesen ungestümen Leuten reden.“
    Der Frater war ein Mann von hohem, knochigem Körperbau. Er trug einen breitrandigen, schwarzen Filzhut, einen Rock mit langen, bis auf die Knöchel reichenden Schößen aus schwarzem Stoff, einreihig geknöpft und mit einem Stehkragen, über welchem die weiße Perlenreihe der Halsbinde zu sehen war. An den Füßen hatte er hohe Stiefel mit den landesüblichen großräderigen Sporen. Fast hätte ich mich gewundert, daß in dem ledernen Gürtel, welcher seine schlanke Taille umschloß, neben dem Messer auch die Griffe zweier Revolver großen Kalibers zu sehen waren. Sein Gesicht war trotz seines knochigen Körperbaues fast zart geschnitten und von ungewöhnlich sanftem Ausdruck, wozu seine großen, blauen Augen prächtig paßten. Wie stimmte die kriegerische Ausrüstung mit diesem kinderfreundlichen Gesichtsausdruck?
    Im Tor befand sich ein etwa zwei Hand großes, viereckiges Guckloch, welches mit einem Deckel verschlossen war. Der Frater öffnete es, blickte hinaus und fragte:
    „Was wollt ihr, Señores?“
    „Hinein wollen wir!“ antwortete jemand gebieterisch. Ich erkannte die Stimme des Anführers.
    „Wer seid Ihr?“
    „Wir sind von der Guardia national, und ich bin Major Cadera.“
    „So! Warum verlangen Sie so stürmisch Zutritt zu uns?“
    „Weil wir den Flüchtling, welchen Sie aufgenommen haben, ausgeliefert verlangen. Er ist zum Tod verurteilt worden, aber kurz vor der Exekution entflohen.“
    „Weshalb wurde er verurteilt?“
    „Wegen Mordes, Aufruhrs und Landesverrates.“
    „Von wem wurde er verurteilt?“
    „Vom Kriegsgericht.“
    „Welcher Garnison?“
    „Donnerwetter! Fragen Sie nicht, als ob wir Schulknaben seien! Das bin ich nicht gewöhnt.“
    „Und ich bin gewöhnt, jeder Sache auf den Grund zu gehen. Wenn wir Euch einen Flüchtling ausliefern sollen, muß ich vorher wissen, ob Ihr ein Recht habt, seine Auslieferung zu verlangen.“
    „Ja, denn wir selbst sind es, die ihn verurteilt haben.“
    Der Frater schwieg eine Weile; er schien die Männer genau zu betrachten. Dann sagte er:
    „Ihr selbst habt ein

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