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34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

Titel: 34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Kriegsgericht konstituiert? Hm! Darüber sprechen wir noch. Erst will ich den Fremden fragen, um zu hören, wie er über diese Angelegenheit spricht.“
    „Verwünscht! Sollen wir hier warten, bis er Euch ein Dutzend Lügen aufgebunden hat? Dazu haben wir weder Lust noch Zeit. Wenn das Tor nicht augenblicklich geöffnet wird, so rennen wir es ein!“
    „Dagegen werden wir uns wehren!“
    „Versucht es doch einmal! Wir sind fünfzig Kavalleristen, und wir werden uns gar nicht lange bedenken, nicht nur Feuer an das Tor zu legen, sondern Euern ganzen Rancho zu verbrennen.“
    „Mäßigt Euch, Señor! Hier gibt es nicht Leute, welche sich einschüchtern lassen. Ich ganz allein fürchte mich nicht vor euch.“
    „Ah! So? Wer sind Sie denn, Sie gar so tapferer Held?“
    „Ich bin Bruder Hilario.“
    „Ein Bruder also! Das ist etwas Rechtes! Vor einem Frater reißt kein Huhn aus, wir noch viel weniger. Wenn sie den Flüchtling nicht sofort ausliefern, so stürmen wir den Platz!“
    „Hört erst, ich bin der Kommandant desselben.“
    „Ein Frater Kommandant einer Festung! Das ist lustig! Das ist zum Totlachen! Womit wollt Ihr sie denn verteidigen?“
    „Zunächst mit meiner einfachen Warnung. Wehe dem, welcher Hand an dieses Haus oder einen seiner Bewohner legen wollte! Es befindet sich ein Sterbender darin.“
    „Danach fragen wir den Teufel, aber Sie nicht, Sie – Sie – Sie Frater Hilario!“
    „Nun, so will ich Ihnen sagen, Señor, daß ich außer diesen Namen noch einen andern habe. Man nennt mich hier und da auch wohl den Bruder Jaguar.“
    „Der – Bruder – Ja – guar!“ rief der Major aus, indem er die Worte und Silben wie erschrocken auseinanderzog. Sein Gesicht konnte man nicht sehen. Draußen trat tiefe Stille ein. Der Frater aber wandte sich zu mir und sagte:
    „Sie sind hier sicher, Señor. Diese Leute fürchten sich vor mir!“

DRITTES KAPITEL
    Bruder Jaguar
    Was ich gehört hatte, erfüllte mich mit Erstaunen. Woher hatte der seltsame Mann, in dem ich wohl das Mitglied einer Missionsgesellschaft zu verehren hatte, diesen Namen? Womit hatte er ihn verdient? Der Jaguar ist das gefürchtetste Raubtier Süd- und Mittelamerikas. Wenn ein Mann Gottes aus dem Mund des Volkes einen solchen Namen erhält, so müssen Gründe dazu vorhanden sein. Jaguar! Wie harmonierte dieses Wort mit der Sanftmut und Milde, welche sein bleiches, bartloses Gesicht so anziehend machte? Ich ahnte, daß ich da vor einem hochinteressanten Geheimnis stand.
    Die Art und Weise, in welcher er mit den Kavalleristen sprach, hatte etwas so Furchtloses, Selbstbewußtes, ja Kriegerisches. Und als er sich zu mir herumgedreht hatte, war ein so eigentümliches Leuchten in seinen Augen gewesen, als ob er sich zutraue, den stärksten und gefährlichsten Feind zu bezwingen. Er wandte sich wieder an das Guckloch und rief:
    „Wartet hier! In einer halben Stunde werde ich euch Bescheid sagen. Aber wer nur einen feindseligen Griff wagt, der hat es mit Bruder Jaguar zu tun. Bedenkt das!“
    Jetzt verschloß er das Guckloch. Ich war gleich anfangs vom Pferd gestiegen und hatte bis jetzt nicht aufgehört, dasselbe zu liebkosen und zu streicheln, weil es seine Schuldigkeit getan hatte.
    Der Bruder sah das. Er reichte mir die Hand und sagte:
    „Ich heiße Sie willkommen, Señor. Sie halten Ihr Pferd gut. Das ist hier eine große Seltenheit, und ich bin überzeugt, daß Sie ein guter Mensch sind. Kommen Sie herein in die Stube!“
    Er öffnete eine schmale Tür, durch welche wir in den Wohnraum traten, der höher war, als man es gewöhnlich in Ranchos findet, und eine Bretterdecke hatte. Die Glasfenster zeigten keinen einzigen Flecken, und die einfachen Tische und Stühle waren ebenso wie die Diele blitzblank gescheuert. Das mutete einen so heimatlich an. Neben der Tür hing ein Weihwassergefäß, was ich während dieser Tage noch nirgend anderswo gesehen hatte, obgleich die Staatsreligion der Banda oriental die katholische ist. Gegenüber hing der Spiegel und zu beiden Seiten von ihm die Mater dolorosa und der Erlöser mit der Dornenkrone in nicht üblem Ölfarbendruck. In der Ecke stand ein großer Kachelofen und hinter demselben, in dem Raum, welchen man in einigen Gegenden Deutschlands die ‚Hölle‘ nennt, ein altes, mit Leder bezogenes Sofa. Es war mir ganz so, als ob ich mich in einer thüringischen oder bayerischen Bauernstube befände. Und ebenso wie die Wohnung heimelten mich auch die Besitzer an. Die Frau, welche mich so

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