34° Ost
Züge, als er antwortete: »Die CIA hat die Kosmos-Fotos erhalten, die die Sowjets als Beweismaterial für ihren Protest wegen des ›Allende‹-Zwischenfalls benützen wollen.«
Ruhig und gefaßt wartete Ainsworth auf Riveras weitere Eröffnungen. Er hörte nur das dumpfe Brausen der Düsentriebwerke.
Schließlich sagte Rivera: »Wir bekamen sie durch die Pipeline Moskau-Teheran-Jerusalem, über die wir gewöhnlich Kosmos-Bilder kriegen. Aber ich finde das sonderbar, Admiral. Normalerweise sieben die Sowjets das Zeug so genau, dass wir nur bekommen, was sie uns zuspielen wollen …«
Etwas ungeduldig erwiderte Ainsworth: »Ja, schon gut. Was noch?« Auswertung von Geheiminformationen fiel nicht in Riveras Kompetenz.
»Zusammen mit dem ›Allende‹-Material kamen auch Fotos, die auf derselben Umlaufbahn über der Südspitze der Sinai-Halbinsel aufgenommen wurden. Sie zeigen eine Personengruppe, die nach israelischen Angaben einer Terroristenorganisation angehört. Die Israelis haben sogar einen der Männer identifiziert. Er heißt Enver Leč, ein Albaner. Wir führen ihn hier in unserer Datenbank in Evidenz, und auf dem Kosmos-Foto ist er tatsächlich mit den Arabern zu sehen.«
Ainsworth furchte die Stirn.
»Jawohl, genau das meine ich, Admiral. Wenn der Vizepräsident dort unten in Gefahr ist, können wir nur einen Schluß ziehen: nämlich dass die Sowjets schon vorher wußten, dass er Guerillas in die Arme laufen könnte. Aber sie unterließen es, uns zu informieren. Sie ließen uns die Informationen zukommen, als sie schon mehrere Stunden alt war.«
Bei dieser Bestätigung seines eigenen Verdachts empfand Ainsworth seltsame Genugtuung. Seit Jahren wußte er, dass die USA der kommunistischen Welt gegenüber einen falschen Kurs steuerten. Man durfte den Sowjets heute ebenso wenig trauen wie zu Stalins Zeiten. Während er Riveras Mitteilungen überdachte, gewann er den Eindruck, dass sie viel mehr beinhalteten, als der General ahnen mochte. Rivera bezichtigte die Russen einer Unterlassungssünde. Der Admiral hingegen argwöhnte, dass in den Gehirnen der Kreml-Gewaltigen weitaus gefährlichere Pläne herangereift sein könnten. In seinem kalvinistischen Geist tauchten apokalyptische Visionen auf. Ruhig fragte er: »Wieviel Prozent der Raketen sind einsatzbereit?«
»80 Prozent der Minutemen und 86 Prozent der Poseidons sind in See und auf Station.«
»In Ordnung. Keine Geheimhaltung unserer Alarmstufe Gelb. Ich möchte, dass die Sowjets davon Wind kriegen. Die stellvertretenden Stabschefs sollen mit der fliegenden Befehlsstelle der ›Airborne Strike Force‹ starten. Warten wir ab, was dann geschieht.«
Rivera, der einen halben Kontinent entfernt in einer Computerzentrale mit U-förmig angeordneten Schaltpulten saß, sah seinen Vorgesetzten forschend an. Ainsworth spürte diesen prüfenden Blick fast körperlich durch die TV- und Satellitenübertragungssysteme, die sie beide verbanden. Rivera fand die Alarmstufe Gelb in Ordnung, doch er wußte, dass alles, was darüber hinausging, die ausdrückliche Genehmigung des Präsidenten erforderte. »Jawohl, Admiral«, sagte er.
Ainsworth schaltete ab und rieb sich müde die Augen. Berringer, der Zweite Pilot, betrat die Kabine.
»Wo sind wir, Captain?« fragte der Admiral.
»Wir fliegen Saint Louis an, Sir.«
Bei der gegenwärtigen Luftströmung noch immer eine Stunde bis Andrews Air Force Base. Ainsworth bemühte sich, seine Unruhe und Ungeduld zu bemeistern. Es geschah ja alles, was getan werden mußte. Er konnte keine weiteren Befehle erteilen – nicht bevor sich die Dinge klarer abzeichneten.
Das Signal leuchtete auf, und der Nachrichtenoffizier meldete: »Brüssel, Sir. NATO-Oberkommando.«
»Schalten Sie die Verbindung in den Monitor.«
Auf dem Bildschirm, der kurz zuvor General Rivera im War Room des Pentagons gezeigt hatte, wurde nun eine Szene aus der anderen Hemisphäre sichtbar, im Vordergrund das sorgenvolle Gesicht des stellvertretenden NATO-Oberkommandierenden, General Sir Alexander Clayborne. »Wir haben das Aviso der Alarmstufe Gelb erhalten«, begann er ohne Umschweife. »Ist es bestätigt?«
»Ja, General.« Im großen und ganzen mischte sich Admiral Stuart Ainsworth nicht in fremde Kompetenzen, aber es ärgerte ihn dennoch, dass der Oberkommandierende der NATO-Streitkräfte, der amerikanische General Julian Muller, gerade jetzt auf Urlaub war, und zwar ausgerechnet in Hawaii, so dass Clayborne den Befehl führte.
Sir Alexander
Weitere Kostenlose Bücher