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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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Handvoll Soldaten, bevor ihnen die Munition ausging, sechs der Angreifer niedergemäht. Vielleicht war es ein sentimentaler Zug, unwürdig eines Sozialrevolutionärs, aber Leč imponierte dieser schwarze Sergeant; er hatte befohlen, ihn zu schonen und zu den anderen Gefangenen zu bringen, die nun, die Arme mit Drahtschlingen auf den Rücken gefesselt, unter Bewachung in einem der erbeuteten Wagen saßen.
    Aus dem vom erlöschenden Feuer beleuchteten Staubgewölk näherte sich Leila Jamil. Sie wirkte viel lebhafter als bei der ersten Begegnung an der Küste, ihre großen Augen strahlten. Grinsend sagte der Albaner: »Ein kleiner Erfolg, und man ist gleich ein anderer Mensch, wie?«
    »Alles ist bereit. Aber wohin jetzt?«
    Leč breitete seine Landkarte auf dem Boden aus und schaltete seine Taschenlampe ein. Mit dem plumpen Zeigefinger fuhr er die Straße entlang in Richtung des amerikanischen Sektors und dann die Demarkationslinie bis zum Dschebel Katherina hinunter. Er tippte auf das kleine schwarze Quadrat, die Markierung des Katharinenklosters am Fuß des Berges Sinai. »Dorthin. Genau dorthin. Wir werden um Asyl bitten«, sagte er ironisch.
    Leila Jamil starrte ihn verblüfft an, dann begann sie zu lachen. Es war das erste Mal, dass Leč sie lachen sah. Er hätte es nicht vermutet, dass sie Sinn für Humor besaß.
    »Das Kloster ist praktisch eine steinerne Festung«, fügte er hinzu. »Man müßte Artillerie einsetzen, um uns auszuräuchern, sobald wir uns darin verschanzt haben. Und so weit wird niemand gehen. Der Bau ist fast tausend Jahre alt.«
    »Großartig. Ich gratuliere, Leč. Jetzt verstehe ich, warum du so schweigsam warst und mit deinen Gedanken allein sein wolltest.«
    Er legte ihr die Hand auf die Schulter. Durch das lockere Gewebe ihres Gewandes spürte er die dünnen Knochen. Ein scharfer animalischer Geruch ging von ihr aus. Leč dachte daran, wie sehr ihn während des Gefechtes nach einer Frau verlangt hatte.
    Die Araberin trat einen Schritt zurück, um sich ihm zu entziehen. »Aber unser Weg führt durch den amerikanischen Sektor.«
    »Was können sie gegen uns unternehmen? Wir haben doch ihn.« Er wies zu den erbeuteten Wagen. »Bei den anderen würden sie es vielleicht riskieren, aber bei Bailey?« Er grinste. »Wenn die Amerikaner Panzer zur Verfügung hätten, könnten sie uns aufhalten, einkreisen und die Zeit für sich arbeiten lassen. Aber sie haben keine Panzer, weil sie sich verpflichten mußten, keine schweren Waffen in ihren Sektor zu bringen. Natürlich haben sie einige Flugzeuge. Aber was können sie mit denen anfangen? Sie können uns beobachten, sonst nichts. Und was die frommen Brüder im Katharinenkloster betrifft – nun, die kann man dazu überreden, uns Asyl zu gewähren.« Er schlug auf die umgehängte Kalaschnikow. Dann stand er auf. »Sammle die Männer ein, die mit uns fahren. Die übrigen sollen einzeln auf den Kamelen nachkommen. Los jetzt.«
    Bailey zeigte nichts mehr von der Überheblichkeit, die er Leč gegenüber an den Tag gelegt hatte. Er saß auf dem Verdeck des Turbo-Transporters, und seine Arme, die von den straff gespannten Drahtschlingen nach hinten gezogen wurden, schmerzten. Der Wagen fuhr rasch und, soweit es Bailey beurteilen konnte, wieder auf der Straße zurück zum amerikanischen Sektor. Ihm gegenüber saß die Israeli, in stummer Verzweiflung vornübergebeugt; die Blutflecken auf ihrer Uniform waren eingetrocknet und blätterten allmählich ab, an ihren nackten Beinen klebten Sandkrusten. Neben ihr hockte General Tates schwarzer Sergeant, sein Gesicht eine Maske ohnmächtiger Wut. Die Araber hatten ihn mit Gewehrkolben bearbeiten müssen, um ihn lebendig zu kriegen. Sein Gesicht und seine Uniform waren blutbeschmiert. Seidel und Reisman hatte man gezwungen, sich auf den Boden zu legen, um Platz für das Dutzend bewaffneter Guerillas zu schaffen, die sich noch auf das Verdeck gezwängt hatten. Neben dem Neger drückte sich Paul Bronstein an die Seitenwand des Wagens. Er zitterte, als ob er hohes Fieber hätte.
    Nun hatte der Vizepräsident Zeit, seine Lage und die Ursachen dafür zu überdenken, und diese Überlegungen waren weit von Arroganz entfernt. Bailey erkannte, dass es ein schwerer Fehler war, auf die von General Tate angebotene stärkere Eskorte zu verzichten, und er war bestürzt darüber, dass er sich in den Händen von Menschen befand, denen er nie etwas getan hatte – im Gegenteil, er war immer bestrebt gewesen, ihnen zu helfen.
    Noch

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