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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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leicht zu beeinflussen.«
    »Von den Faschisten in eurer Regierung?«
    Tates Zorn flammte auf. »Mein Gott, Juri, zuerst sind Sie ganz vernünftig, und dann reden Sie wieder daher wie eine Propagandabroschüre. Wenn jemand der Sowjetunion misstraut, ist er deswegen noch lange kein Faschist. Während der letzten dreißig Jahre habt ihr uns genug Gründe zur Vorsicht gegeben.«
    »Dennoch gibt es viele solche Leute im Pentagon«, beharrte Ulanin mit slawischer Sturheit.
    »Sie müssen das verstehen, Juri: Sehr wenige Amerikaner trauen der Sowjetführung. Das ist eine Tatsache, mit der ihr zu rechnen habt.«
    »Der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs ist so ein Amerikaner?«
    »Ja.«
    »Und wird er diesen Beal beeinflussen?«
    »Ja, sehr.«
    »Wenn Beal aber so ein Schwächling ist, warum wird er dann euer Präsident werden?«
    »Das Amt geht nicht auf den Stärksten über, Juri. Die Nachfolge ist durch die Verfassung geregelt. Ihr Russen haltet uns zwar für eine Nation von Gangstern, aber es gibt Gesetze, die wir respektieren. Die Konstitution ist so ein Gesetz, und sie enthält die Bestimmung, dass der Vorsitzende des Repräsentantenhauses Präsident wird, wenn sowohl der gewählte Präsident als auch der Vizepräsident tot oder handlungsunfähig sind. Der Fall ist zwar bisher noch nie eingetreten, aber das Gesetz ist bindend.«
    Seufzend hob Ulanin die Augen zum östlichen Horizont, wo das erste schwache Morgenlicht den Himmel aufhellte. Schwerfällig sagte er: »Wir hatten solche Hoffnungen – zumindest einige von uns.« Er zuckte die breiten Schultern unter dem Uniformmantel. »Ich glaube, ich werde die Amerikaner nie ganz verstehen. Doch wenn Sie mir sagen, dass es so sein muß, dann glaube ich Ihnen. Kommen Sie jetzt, William. Im Auto wartet jemand, der mit Ihnen sprechen möchte. Vielleicht beruhigt es Sie, zu wissen, dass dieser Mann hier ist.«
    »Rostow?«
    Ulanin nickte.
    »Das beweist gar nichts, Juri.«
    »Reden Sie trotzdem mit ihm. Es gibt manches, was Sie erfahren sollten, und er will es Ihnen selbst sagen.«
    Tate folgte dem Russen zu der großen, verstaubten Limousine. Rostow öffnete die Tür zum Rücksitz und sagte auf englisch mit starkem Akzent: »Bitte nehmen Sie Platz, General.«
    Tate stieg ein. Der Fahrer und ein Adjutant musterten mit kritischen Blicken die Pistole an seinem Gürtel, aber Rostow winkte unwirsch ab. Seine Augen waren forschend auf den Amerikaner gerichtet. »Das ist eine Katastrophe, General«, begann er ohne Umschweife. »Für uns alle. Wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht, um die Gefahren abzuwenden. Sind Sie der gleichen Meinung?«
    »In diesem Punkt ja, Sir«, entgegnete Tate unverbindlich.
    »In anderen Punkten vermutlich nicht. Nun, das kann ich Ihnen nicht verübeln.« Rostow rückte schwerfällig auf seinem Sitz, und plötzlich merkte Tate, dass dieser Mann große Angst hatte – und trotz der bedrohlichen Nähe so vieler zu allem fähiger amerikanischer Soldaten sicherlich nicht um seine eigene Haut.
    »Wir hätten Sie wegen des Auftauchens der Abu Mussa warnen sollen«, sagte Rostow. »Oder wir hätten selbst eingreifen müssen. Und das wäre auch geschehen, wenn wir gewußt hätten, was vorgeht. Glauben Sie mir das?«
    »Was ich glaube, ist im Moment unwichtig, Sir. Tatsache bleibt, dass Sie weder das eine noch das andere getan haben.«
    »General, ob Sie mir glauben oder nicht, wenn die Dummköpfe im Hauptquartier der GRU ihre Arbeit ordentlich gemacht hätten, dann hätten wir uns nicht um dieses alberne Räuberspiel zwischen unseren Geheimdiensten gekümmert, sondern Sie sofort gewarnt, dass Leč sich auf Sinai aufhält. Er ist ein berüchtigter Maoist, ein Unruhestifter, ein Feind des sowjetischen und des amerikanischen Volkes. Er hätte ebensogut mich überfallen können wie Ihren Vizepräsidenten.« Die hellen Augen wurden schmal. »Warum hatte Mr. Bailey so schwachen Begleitschutz, General? Sie wußten doch, dass Guerillas jederzeit in die Friedenszone einsickern können.«
    Tate nahm diese versteckte Rüge schweigend hin. Ja, warum hatte Bailey eine so kleine Eskorte? Um das zu begreifen, hätte Rostow die amerikanische Politik und die antimilitaristische Haltung Baileys viel besser kennen müssen. Kein Russe, gewohnt an die Autorität und Disziplin in einem kommunistischen Staat, konnte auch nur im entferntesten jene Beweggründe verstehen, die einen Talcott Bailey bei seinen Entscheidungen leiteten.
    »In der Sowjetunion würde der

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