34° Ost
der Mönch die Angreifer gesehen?«
Rostow zuckte die Achseln. »Wer weiß? Er war nahe genug, dass ihn eine Kugel traf, und weit genug, um zu flüchten und nordwärts bis zu der Straße zu wandern, wo wir ihn fanden. Aber ich habe mich gefragt: Wo würde Leč mit seiner Bande Zuflucht suchen? Wo wären die Abu Mussa in dieser Wüste sicher und könnten sich festsetzen, während sie ihre Forderungen überlegen?«
»Im Kloster der heiligen Katharina?«
»Natürlich. Im Süden der Halbinsel gibt es keinen anderen Ort, der in Betracht käme – und bestimmt werden sie es nicht wagen, nordwärts zu ziehen. Nicht einmal bei den Ägyptern fänden sie Unterschlupf. Es kann nur das Kloster sein.«
»Haben Sie auf Grund dieser Vermutung bereits etwas unternommen?«
Rostow schüttelte den Kopf. »Wir? Nein, General. Wir haben in der entmilitarisierten Zone keine Flugzeuge eingesetzt. Einen solchen Befehl kann ich nicht ohne Billigung Moskaus erteilen. Aber Sie …«
Aber ich, dachte Tate, ich habe die Punkte des Abkommens bereits verletzt und trage persönlich die Verantwortung. Der Zynismus des Russen nötigte ihm fast ein Lächeln ab. Rostow bot wohl Hilfe an, aber von äußerst zwiespältiger Art, nur darauf abzielend, vor der Welt die Unschuld der Sowjets zu demonstrieren. Nun, er würde auch ohne solche Unterstützung mit den Schwierigkeiten fertigwerden.
»Falls ich Hilfe brauchen sollte, werde ich mich als erstes an Sie wenden, Sir«, sagte Tate und machte Anstalten, den Wagen zu verlassen. Rostow hielt ihn zurück.
»Einen Moment noch, General«, sagte er in warnendem Ton. »Sie werden natürlich Washington Bericht erstatten. Ich bitte Sie, Ihren Vorgesetzten von überstürzten Schritten abzuraten. Die Sowjetregierung trägt an dieser Affäre keine Schuld, und wir werden alles tun, um den Beweis dafür zu erbringen. Aber wir werden auch Vorkehrungen für unsere eigene Sicherheit treffen. Wir werden nicht dulden, dass diese Tragödie als Vorwand für imperialistische Abenteuer missbraucht wird.«
»Sir, seit dreißig Jahren bricht die sowjetische Führung Verträge, unterstützt Umsturzversuche und bewaffnete Revolutionäre. Überall auf der Welt, wo es Krisenherde gab, hatte der Kreml die Hand im Spiel. Es könnte sehr schwierig sein, meine Landsleute davon zu überzeugen, dass die Sowjetunion diesmal nicht an den Geschehnissen beteiligt ist. Ich glaube Ihnen – weil ich meine, eine solche Aktion wäre zu gefährlich, selbst für den Kreml. Aber was sich hier abgespielt hat, wäre nie möglich gewesen ohne die vorhergehende Entwicklung – all die Jahre hindurch, in denen die Sowjetunion als Unruhestifter auftrat. Sie werden diese Prüfung also durchstehen müssen, Sir, wie wir alle!«
Er stieg aus und ging wortlos an Ulanin vorbei über das Gefechtsfeld zum Nachrichtenteam, das für die Direktsendung ins Pentagon bereitstand. Er näherte sich einem Hubschrauber, wo Beaufort wartete, und sagte ihm: »Schick eine Helikopterstaffel nach dem Katharinenkloster. Ich möchte, dass das Kloster bis auf weiteres beobachtet wird.«
»Sollen die Hubschrauber angreifen, wenn sie etwas sehen?« fragte der Pilot.
»Unter keinen Umständen. Sie sollen das Kloster nur überwachen und Meldung erstatten. Nichts sonst, außer auf meinen ausdrücklichen Befehl.«
»Jawohl, Sir.« Beaufort kletterte in die Kabine, um die Weisung per Funk durchzugeben.
Ulanin war Tate zu der Maschine nachgekommen. Im scharfen Gegenlicht wirkte seine Gestalt im langen Mantel wuchtig und formlos wie ein Felsblock. »William«, sagte er auf russisch, »hat der Stellvertretende Ministerpräsident mit Ihnen über den alten Mönch gesprochen?«
»Ja.«
»Ich habe selbst gehört, was der alte Mahn sagte. Er ist – oder war – der Hüter des Beinhauses, wo die Toten aufbewahrt werden.«
»Was nützt uns das!«
»Ich bin mir nicht sicher. Aber ich glaube, irgendwo gelesen zu haben, dass es von diesem Beinhaus aus einen unterirdischen Zugang zum Kloster gibt. Man könnte auf diesem Weg ins Kloster eindringen.«
Wieder Stalingrad, dachte Tate. Der General hatte die Kämpfe in den Kanalsystemen der zerstörten Stadt nie vergessen.
»Ich werde den Mönch durch den Sanitäter befragen lassen«, sagte Ulanin. »Wenn ich Griechisch verstünde, würde ich es selbst tun.« Er legte dem Amerikaner die Hände auf die Schultern. »Das mag nicht der richtige Zeitpunkt dafür sein, aber ich sage es trotzdem: mein Beileid, William. Mein Beileid zum Tod
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