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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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eures Präsidenten – und eurer Soldaten.«
    »Danke, Juri. Doswidanja!«
    »Doswidanja, Bratuschka!«
    Mit schweren Schritten ging Ulanin zu den sowjetischen Fahrzeugen zurück. Tate sah zu, wie sie reversierten und im Zwielicht in Richtung Zentrale Zone davonrollten. General Gunderssen und seine Leute folgten ihnen.
    Ein Lieutenant der Nachrichtentruppe trat heran. »Sir, wir gehen auf Übertragung zum War Room des Pentagons. Der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs ist anwesend und wünscht Sie zu sprechen.«
    Das war eine Unterredung – nein, eher eine Konfrontation –, die Bill Tate in diesem Augenblick lieber vermieden hätte, aber das war völlig ausgeschlossen. Er schaute wieder zum Himmel. Nun wurde es rasch hell. Jede Minute war kostbar. Er ging zu den Technikern bei der mobilen TV-Apparatur, um Admiral Stuart Ainsworth über die Lage zu informieren.
    Deborah Zadok saß zwischen den Guerillas eingekeilt auf einem der erbeuteten amerikanischen Lastwagen. Sie roch die Ausdünstung der Araber, den üblen Blutgeruch ihrer eigenen Uniform und den scharfen Pulvergestank der Gewehre. Sie mußte die kleinen Quälereien der Männer erdulden, denen es kindische Freude zu bereiten schien, ihr Schmerzen zuzufügen und sie zu demütigen: Sie wurde gekniffen, derbe Hände betasteten ihre Waden und Schenkel, Gewehrmündungen drückten sich an ihre Brüste. Als die Amerikaner zu intervenieren versuchten, wurde ihnen mit dem Erschießen gedroht, und Sergeant Robinson erhielt sogar einen Kolbenhieb ins Gesicht.
    Talcott Bailey saß stumm da. Es schien, als könnte er immer noch nicht begreifen, dass er sich in den Händen von Menschen befand, die nicht die mindeste Ahnung hatten, welche Behandlung man einer Persönlichkeit seines Ranges schuldig war. Er sah aus wie jemand, der zum ersten Mal der nackten Gewalt begegnete.
    Sein Sekretär Bronstein befand sich in schwerem Schockzustand. Bei jeder Bewegung eines Arabers zuckte er zusammen. Sogar im Halbdunkel unter der Plache konnte Deborah die entsetzliche Angst sehen, die in seinen starren Augen saß.
    Colonel Seidel benahm sich, wie man es von ihm erwarten durfte – gefaßt und kühl-gelassen –, was auf die Guerillas sichtlich Eindruck machte. Zumindest hatten sie es vermieden, ihn zu beschimpfen oder Hand an ihn zu legen. Sogar wenn sie ihn bedrohten, geschah das mit einem gewissen Anstand: Die Geste, mit der sie die Waffen auf ihn richteten, um ihn, falls nötig, zu töten, drückte gleichzeitig ihr Bedauern über diese Notwendigkeit aus.
    Einige Zeit waren die beiden geraubten Lastwagen dicht hintereinander ohne Lichter ostwärts gefahren, dann auf der Straße nach Süden, in Richtung auf Sankt Katharina. Einmal hatte Deborah das Geräusch einer tieffliegenden Düsenmaschine gehört, aber entweder hatte der Pilot die Autos nicht gesehen oder er war unschlüssig, was er unternehmen sollte, ohne die Geiseln zu gefährden.
    Deborah konnte nicht hinaussehen, doch da sie die geographischen Verhältnisse der Halbinsel und die Taktiken der arabischen Terroristen kannte, vermutete sie, dass die Abu Mussa auf das Katharinenkloster zusteuerten: ein guter Stützpunkt, um von dort aus Forderungen zu diktieren, und leicht einzunehmen, da die gegenwärtigen Bewohner völlig wehrlos waren – ein Umstand, der diesen Schlupfwinkel für Guerillas besonders verlockend machte.
    Knapp vor Tagesanbruch waren sie angekommen, und der Europäer, der sich Leč nannte, hatte alle Araber bis auf zwei Wachen für die Geiseln absitzen lassen. Kurz darauf hörte man Geschrei, Schüsse und das laute Wehklagen einer Beduinenfrau.
    Die Abu Mussa waren ohne Schwierigkeiten in das Kloster eingedrungen. Bis ins 19. Jahrhundert gab es nur einen einzigen Zugang in das Kloster: ein Tor in der Granitmauer, etwa fünf Meter über dem Boden. Besucher wurden in einem Korb hochgehievt, und das nur, wenn die Mönche sich überzeugt hatten, dass die Fremden sie weder bedrohen noch ihre Ruhe stören würden. Aber später waren für die Touristen und die Pilger an verschiedenen Stellen Tore und Pforten ausgebrochen worden. Eine davon wurde arglos von dem Diakon geöffnet, der sich um Besucher zu kümmern hatte. Für seine christliche Brüderlichkeit bezahlte er mit dem Leben – er wurde auf der Stelle erschossen, verschlafen und gähnend, wie er herangeschlurft war. Das Gewehrfeuer scheuchte die anderen Mönche aus ihren Zellen auf, sie liefen den Arabern direkt vor die Mündungen. Acht weitere starben,

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