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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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nun, bei der Nachricht, dass Bailey nicht in der Lage war, tatsächlich die Nachfolge anzutreten, und man nicht einmal wußte, wo er sich zur Zeit aufhielt, verlor Beal fast die Nerven. Nie zuvor in der Geschichte der USA hatte es eine ähnliche Situation gegeben. Eine vom Kongress getroffene Regelung, die aber bisher niemand als konkrete Möglichkeit in Betracht gezogen hatte, sah vor, dass die bedrückende Machtfülle der Präsidentschaft nun einem Mann zufiele, der sie fürchtete, seiner Fähigkeiten für dieses Amt nicht sicher war und es keineswegs anstrebte. Und wie um Old Fowlers düstere Vorahnungen eines drohenden Verhängnisses zu bestätigen, saß nun vor der Tür von ›CC Beta‹ ein Offizier mit einer versperrten Aktenmappe, in der sich die Nuklear-Kodes befanden. Wie ein Todesengel in Uniform war er aufgetaucht – vermutlich auf Ainsworth' Befehl –, kurz nachdem die Meldung von Baileys Zusammenstoß mit den Terroristen den War Room erreicht hatte.
    Drei TV-Geräte versorgten Fowler Beal mit Nachrichten aus der Welt jenseits der Mauern des Pentagons. Zu diesem Zeitpunkt hatten alle drei Stationen ihre regulären Programme unterbrochen und brachten ausschließlich Reportagen über das Verhalten der Nation angesichts des Todes des Präsidenten. Mit wachsender Besorgnis verfolgte Beal die spontanen Reaktionen der amerikanischen Bevölkerung. Noch mehr erschütterten ihn die Erwägungen, welche die Kommentatoren so unverblümt äußerten. Die Hypothese eines Sabotageaktes, durch welche die Darstellung des Geschehens eine weitere dramatische Zuspitzung erfuhr, wurde ohne jede Einschränkung verbreitet und erörtert. Helen Risor war noch immer nicht vernehmungsfähig, auch die Obduktionsbefunde von den Leichen der Besatzungsmitglieder waren noch nicht freigegeben. In Ermangelung konkreter Fakten ergingen sich die Meinungsmacher in immer unheimlicheren Mutmaßungen.
    Als gewiegter Politiker merkte Beal, dass sich in der Öffentlichkeit ein emotional betonter Umschwung vollzog. In den Schmerz über den Tod eines populären Präsidenten mischte sich verborgene Wut. Wenn er die seelische Verfassung der Amerikaner richtig beurteilte, dann müßte die Reaktion auf jegliche Andeutung, dass arabische Terroristen dem Vizepräsidenten aufgelauert und ihn entführt oder getötet haben könnten, eine wüste Hasspsychose sein. Und falls sich die Annahme verbreitete, dass die Sowjets davon wußten? Dass sie in irgendeiner Form daran beteiligt waren? Er schauderte, wenn er daran dachte, dass er mit den unabsehbaren Weiterungen konfrontiert wäre, mit der Forderung, sofort zu handeln. Aber wie zu handeln? Wie verhielt man sich bei solch einem heimtückischen Anschlag? Unbewußt erriet er Ainsworth' Antwort, und dieser Gedanke war entsetzlich.
    Soeben sprach ein ABC-Korrespondent über eine spontane Trauerversammlung von Bürgern beim Lincoln Memorial in Washington. Beal sah eine etwa zehntausendköpfige Menschenmenge im Nieselregen. Die meisten verharrten in Schweigen, aber da und dort wandten sich Redner an die Umstehenden. Das waren keine Aktivisten, die ihre Zuhörer zu Demonstrationen aufwiegeln wollten, sondern offenbar einfache Leute, die miteinander zu klären suchten, wie man der Regierung am besten nahelegen könne, den wahren Hergang der Tragödie von Palm Springs bekannt zu geben. Bisher hatte sich Washington auf einige wenige Mitteilungen beschränkt, und diese waren lückenhaft. Es fehlte der Vizepräsident, der rasch die Zügel in die Hand genommen hätte, wie damals Johnson in Dallas.
    »Seit wir erfahren haben, dass Vizepräsident Bailey aus dem Nahen Osten zurückkehren wird, verlautet von offizieller Seite nichts mehr über seinen Verbleib«, sagte der Reporter trocken.
    Im ABC-Studio erschien nun ein sichtlich perplexer, finster blickender Korrespondent, der beim Weißen Haus akkreditiert war. Er raschelte mit Papieren und begann: »Die Flugzeit von der Sinai-Halbinsel nach Washington beträgt höchstens acht Stunden. Doch bis jetzt ist nichts über die Ankunft des Vizepräsidenten bekannt geworden. Diese Tatsache wird überall in der Hauptstadt mit wachsender Besorgnis registriert.«
    Auch der ABC-Korrespondent auf Zypern konnte keine genauen Angaben über Baileys Aufenthalt machen. »Hier spielt sich alles sehr geheimnisvoll ab«, meldete er. »Der Presseoffizier des UNO-Hochkommissariats, Mr. Kaschi Ravi Singh, erklärte, innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden sei mit keiner Stellungnahme

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