34° Ost
Nun kam der Kommentator selbst ins Bild, ein junger Captain, der das blaue Barett mit dem Abzeichen der Friedensstreitmacht trug. »Soweit unser erster Bericht, Sir. Wir zeichnen natürlich weiter auf, bis alles geborgen ist.«
Ainsworth nahm ein Handmikrofon vom Halter unter dem großen Bildschirm und sprach hinein: »Ist General Tate anwesend, Captain!«
»Jawohl, Sir, er kommt schon.« Dann fügte der Offizier mit einem etwas feindseligen Unterton hinzu: »Er führte Gespräche mit den Russen, die vor etwa zwanzig Minuten hier eintrafen.«
Der Admiral preßte die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Als Tate vor der Kamera stand, fuhr er ihn barsch an: »General, was zum Teufel haben die Russen dort zu suchen?«
Tate, dessen Gesicht die Spuren großer Strapazen zeigte, blinzelte ins Objektiv, und Beal hatte das unangenehme Gefühl, als blicke der Kommandeur des amerikanischen Kontingents direkt in den Raum. »General Ulanin ist gekommen, um uns seine Hilfe anzubieten. In seiner Begleitung befindet sich Anatolij Rostow.«
»Sorgen Sie dafür, dass die Brüder verschwinden«, sagte Ainsworth eisig, mit mühsam beherrschter Feindseligkeit.
»Die sowjetische Gruppe fährt sowieso schon los. – Ulanins Leute glauben, dass sich die Abu Mussa nach Süden abgesetzt haben, zum Katharinenkloster. Ich habe einige Hubschrauber auf Erkundung ausgeschickt und erwarte jede Minute ihre Meldungen.«
»Sie haben diese Aktion auf Grund von Informationen der Kommunisten befohlen?« fragte Ainsworth stirnrunzelnd.
»Jawohl, Admiral.«
»Einen Moment, Tate.« Ainsworth schaltete das Mikrofon aus und wandte sich zu Beal. »Nun, Sir?«
Beal sah ihn verblüfft an. »Nun was, Stuart?«
»Sollen wir das alte Kloster angreifen, wenn Tates Angaben stimmen?«
»Mein Gott, Stuart, warum fragen Sie mich? Ich bin doch ein militärischer Laie …«
»Die Entscheidung müssen Sie treffen. Sie sind der amtierende Präsident.«
Es beginnt schon, dachte Beal, unwillkürlich zusammenzuckend. Das war der Augenblick, den er gefürchtet hatte. Er versuchte Zeit zu gewinnen. »Warten Sie ab, Admiral. Der Kongress hat sich noch nicht mit der Sache beschäftigt. Außerdem wissen wir nicht, ob Talcott Bailey tot ist …«
»Ich glaube, dass er tot ist, Sir. Und selbst wenn er noch lebt, ist er sicherlich nicht handlungsfähig. Die Bedingungen des ›Falles Leerlauf‹ sind also gegeben.«
»Stuart, ich kann mich doch nicht einfach selber zum Präsidenten ausrufen. Die Verfassung …«
Ainsworth blickte erbarmungslos. »Die Verfassung ermächtigt Sie dazu, Sir. Muß ich Ihnen die Stelle zitieren? Sie sind amtierender Präsident. Treffen Sie die Entscheidung.«
Beal spürte ein Würgen in der Kehle, kalter Schweiß lief ihm über den Rücken. »Stuart …«, stammelte er, »Stuart, ich kann nicht …«
»Dann werde ich in Ihrem Namen die Entscheidung treffen, da der Nationale Sicherheitsausschuss noch nicht zusammengetreten ist. Das ist eine militärische, keine politische Entscheidung.«
Fowler Beal konnte nur stumm nicken, er war zugleich erleichtert und verstört. Ainsworth schaltete die Verbindung zu Sinai wieder ein und sagte: »General, wenn Ihre Hubschrauber die Araber sichten, dann greifen Sie das Kloster mit allen erforderlichen Kräften an, um unsere Leute zu befreien – jene, die noch leben.«
Tate starrte ins Objektiv.
»Bestätigen Sie diesen Befehl, General«, drängte Ainsworth ungeduldig.
»Admiral, wenn wir das tun, bedeutet es den Tod der Geiseln.«
»Mit dieser Möglichkeit müssen wir rechnen.«
»Die Terroristen haben den Präsidenten in ihrer Gewalt«, erwiderte Tate, jedes Wort betonend.
»Das steht nicht fest. Wir können nicht wissen, ob unsere Leute noch am Leben sind oder nicht.«
»Tote hätten die Abu Mussa kaum mitgenommen.«
»Auf jeden Fall ist Bailey nicht Präsident. Noch nicht. Und wahrscheinlich wird er es nie werden.«
Beal bemerkte den jähen Wechsel von Tates Gesichtsausdruck. Er konnte zwar nicht Gedanken lesen, aber es war nicht schwer zu erraten, was im Gehirn des Generals vorging, als Ainsworth seine wahren Absichten eröffnete.
Nach einer langen, lastenden Pause sagte Tate: »Diesen Befehl nehme ich nicht entgegen.«
»Anscheinend interpretieren wir die Verfassung ganz verschieden, General. Ich gebe Ihnen eine Chance zur Überlegung. Selbst wenn man genau wüsste, dass Mr. Bailey lebt und sogar den Amtseid als Präsident abgelegt hat, ist er gegenwärtig nicht in der Lage,
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