34° Ost
genau aus, die Sonne war so grell. Diese orangerote Sonne, die Wüstensonne – zu Hause in New England leuchtete die Sonne nicht so hell.
Ein Mann legte ihr den Arm um die Schultern. Es war Sam Donaldson, und einen Augenblick lang wunderte sie sich, wieso er da war. Sie hatte ganz vergessen, dass er der Quartiernachbar des neuen Air-Force-Offiziers war, den sie nicht mochte. Nein, sie mochte ihn gar nicht.
Hinter ihr rief eine Stimme etwas. Es klang wie »Sanitäter! Sanitäter, hierher!«
Sie war von weißen Gesichtern umringt und bekam plötzlich Angst, bis sie wieder den CIA-Stationschef erkannte. »Mr. Donaldson«, sagte sie verwirrt.
»Ist schon gut, Captain«, sagte er sanft. »Es wird alles wieder gut.«
Aber sie wußte, dass nichts wieder gut werden würde.
»Im Interesse des Weltfriedens muß klargestellt werden, dass wir alles unternommen hatten, was in unserer Macht stand.«
Der Stellvertretende Ministerpräsident Anatolij Rostow warf dem schwedischen Kommandeur einen finsteren Blick zu. »Tatsache bleibt«, sagte er, »dass Sie, genau genommen, überhaupt nichts getan haben, General Gunderssen. Ich möchte in meiner Kritik an der UNO nicht unhöflich sein, aber die Protokolle – wenn es noch jemals Protokolle geben sollte – werden meine Feststellung bestätigen.«
Gunderssen lief rot an. »Exzellenz, ich sehe nicht ein, wie ich diesen unglücklichen Zwischenfall hätte verhindern können.«
»Ich weiß, dass Sie das nicht einsehen.«
»Wenn Sie damit andeuten wollen, meine Einheiten hätten dafür zu sorgen, dass es in der entmilitarisierten Zone keine Guerillas gibt, dann darf ich Sie darauf hinweisen, dass die fraglichen Guerillas aus dem sowjetischen Sektor kamen.«
»Auch das wird in den Protokollen stehen – zu unserer Schande.« Rostow inhalierte den scharfen Rauch der türkischen Zigarette, die er zwischen nikotingelben Fingern hielt, und betrachtete durch das Fenster stirnrunzelnd die draußen angetretenen Formationen. Die schwedische UN-Truppe, in hellblauen Baretts und frischgebügelten Uniformen, stand getrennt von seiner eigenen Eskorte der KGB-Wachverbände. Wie konnten die Amerikaner so töricht sein, ihren Vizepräsidenten nur mit einer einzigen kleinen Gruppe als militärischer Bedeckung in ein solches Krisengebiet reisen zu lassen? Nach allem, was er von General Tate wußte, und dem Eindruck, den er bei ihrem kurzen Gespräch auf dem Schauplatz des Überfalls gewonnen hatte, war bloße Nachlässigkeit sehr unwahrscheinlich. Viel eher das Gegenteil.
Er wandte sich wieder dem Schweden zu. »Hatte der UNO-Generalsekretär bereits Gelegenheit, mit Mr. Beal zu sprechen?«
Gunderssen schüttelte den Kopf und schürzte missbilligend die Lippen. Er erinnert mich an meinen Klassenlehrer, dachte Rostow. Der konnte auch keine Disziplin halten.
»Der amtierende Präsident ist im Pentagon verschwunden«, sagte der General. »Aus Stockholm habe ich die Meldung erhalten, dass Ministerpräsident Kastrup den dringenden Appell an ihn richtete, größte Besonnenheit zu bewahren.« Es klopfte an der Tür und ein KGB-Offizier trat ein. »Wir haben die Verbindung mit Moskau hergestellt, Genosse Rostow.«
»Ja, ich komme«, sagte Rostow müde und erhob sich.
Das Innere der sowjetischen mobilen Kommunikationszentrale war voll von elektronischen Apparaturen und Technikern: Ein Leutnant salutierte und wies auf den Platz vor der Kamera und dem Monitor. »Wir haben auf Sendung geschaltet«, meldete er zackig.
Rostow setzte sich und bedeutete dem Personal, das Fahrzeug zu verlassen. Er wollte vermeiden, dass die Unterredung, die er nun führen würde, Gesprächsstoff für die Einheiten in der Zentralen Zone abgäbe.
Auf dem Bildschirm war die Kommandozentrale des Kremls zu sehen, die sich, wie Rostow genau wußte, überhaupt nicht im Kreml befand, sondern unter der Erde in der weiteren Umgebung Moskaus. Das starke Licht, das für die TV-Übertragung erforderlich war, steigerte noch die Hitze des Tages, aber Rostow wollte sich seine Müdigkeit und Übernächtigkeit nicht anmerken lassen. Der Ministerpräsident schätzte es, wenn seine Stellvertreter unter allen Umständen frisch und energisch wirkten.
Nun tauchte Verteidigungsminister Marschall Morosow auf, mit breiten Achselstücken und vielen Reihen farbiger Bänder auf dem olivgrünen Uniformrock.
Er sprach mit einem Adjutanten, der mit einem Stapel von Meldungen hinter ihm stand, dann entließ er den Offizier mit einem Kopfnicken und
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