34° Ost
Wort über die Lippen. Dabei hatte sie genau überlegt, was sie Trask sagen mußte: dass er den Befehl von Männern, die zu weit entfernt waren, um die Lage in der Zone beurteilen zu können, nicht befolgen dürfe; dass er abwarten solle, wie die Soldaten des amerikanischen Kontingents reagieren würden, wenn man ihren Kommandeur verhaftete, als sei er ein gemeiner Verbrecher. Sie hatte sich vorgenommen, all das Trask sorgfältig auseinanderzusetzen, ihm zu verstehen zu geben, dass sie ihn nicht brüskieren oder verärgern wolle und dass sie es begreife, wie wichtig der Fall für ihn persönlich sei. Um ihr Verständnis zu betonen, hatte sie aus General Tates Quartier sogar ein paar Silbersterne mitgebracht, die wollte sie Trask schenken, als Beweis dafür, wie sehr sie selbst – und auch Tate – seine Freundschaft wünschten.
All das hatte sie sich sehr gewissenhaft zurechtgelegt, und sie hatte sogar erwogen, Trask zu verführen. Auch diese Szene hatte sie sich in allen Einzelheiten ausgemalt: Sie würde wortlos sein Zimmer betreten und sich auf jene laszive Weise entkleiden, die, wie sie gehört hatte, nie ihre Wirkung auf Männer verfehlte. Sie würde nackt vor ihm stehen, vielleicht mit den Silbersternen auf der flachen Hand, und dies würde ihn von der Erfüllung einer gewiß auch ihm verhassten Pflicht ablenken. Kaum war ihr ein Traum zerbrochen, da baute sie schon einen anderen auf, den Traum von der Selbstaufopferung und Selbstpreisgabe, um den Mann zu retten, den sie liebte und gegen den sie sich versündigt hatte. Sie sah im Geist, wie sie sich Trask hingab, fühlte, wie sich sein von Narben entstelltes Gesicht auf ihren Bauch, ihre Schenkel preßte. Für ihren Kommandeur würde sie dies alles und mehr noch mit sich geschehen lassen, er würde von ihrer Schande und ihrem Opfer wissen, und wenn er sie auch nicht liebte, so würde er ihr wenigstens dankbar sein …
»Was zum Teufel wollen Sie denn, Captain?« fragte Trask ungeduldig.
Liz fuhr zusammen und blickte Trask an, als sei der plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht. Nein, es würde nicht klappen, wie sie es sich ausgemalt hatte. Das waren bloße Hirngespinste. Es gab nichts, was sie tun konnte. Wenn sie plötzlich nackt vor Trask stünde, würde er sie nur auslachen. Einen Soldaten wie ihn konnte man mit einem knochigen Körper nicht dazu verführen, seine Pflichten zu vergessen.
In wachsender Verzweiflung suchten ihre Augen die harten Konturen des Raumes ab. Sie sah die Flugkombination auf dem ungemachten Bett, den noch nicht ganz ausgepackten Air-Force-Sack, die verschmutzte Uniform, die am Kleiderschrank hing, die Whiskyflasche und das ungespülte Glas auf dem Nachttisch.
Sie erschauerte. Dieser narbige brutale Kerl wollte die Silbersterne ihres Helden tragen und sein Kommando übernehmen? Wie hatte sie nur glauben können, dass sie bei ihm Verständnis fände? Ihr Blick fiel auf die Dienstpistole auf dem Regal neben der offenen Tür, und mit einem Mal wußte sie, dass ihr nur eines blieb: Sie mußte Schicksal spielen. Was konnte sie sich Besseres wünschen, als ein Werkzeug der Gerechtigkeit zu werden? Sie betrat den Raum, ihre Hand schloß sich um den Griff der schweren Waffe.
»Was fällt Ihnen denn ein?« hörte sie Trask schreien.
Liz wunderte sich über das Gewicht der Pistole. Ihr dünner Zeigefinger krümmte sich um den Abzug, die Mündung schwankte.
»Blödes Weib, legen Sie das hin!«
Ein ohrenbetäubendes Dröhnen zerriss ihr fast das Trommelfell, und sie roch den scharfen Geruch von Kordit.
Trasks verunstaltetes Gesicht erstarrte in einem Ausdruck maßlosen Staunens. Er griff mit den Händen nach hinten, um sich von der Wand wegzuschieben. Irgend etwas hatte ihn zurückgeschleudert. Liz drückte wieder ab, und diesmal hörte sie den Schuß klar und deutlich. Der Knall gellte durch den kleinen Raum.
Trask glitt an der Wand herab, seine hervortretenden Augen blickten sie noch immer verblüfft an. Aus seinem offenen Mund rann ein dünner, dunkler Blutfaden, er gab einen gurgelnden Laut von sich, und dann verstummte er.
Captain Elizabeth Adams wandte sich um und ging langsam in das Sonnenlicht hinaus. Überall waren Gesichter, aber nicht sein Gesicht. Einerlei, dachte sie. Er wird wissen, was er zu tun hat. Sie machte einige Schritte auf dem kiesbestreuten Weg zwischen den niederen Betonbauten. Die Waffe entfiel ihren erschlaffenden Fingern.
Irgend jemand lief auf sie zu. Mehrere Personen, wie es schien. Liz nahm es nicht
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