34° Ost
sicherer.«
Ehe Beal widersprechen konnte, standen zwei Militärpolizisten hinter ihm. Selbst der äußere Anschein, dass er hier das Kommando führte, wurde nicht mehr gewahrt.
22
Nie im Leben hätte sich Paul Bronstein träumen lassen, dass er einmal vor einer Gewehrmündung stehen könnte. Nun wußte er, wie scheußlich einem dabei zumute war.
Aus irgendeiner Laune sperrten die Guerillas ihn allein in einen kleinen Raum, nicht weit von der Zelle, in der Deborah Zadok saß. Einige Zeit hatte er die Möglichkeit erwogen, mannhaft an die Vernunft dieses Leč und seiner Araber zu appellieren. Aber als er den Plan logisch durchdachte, kam er zu der Erkenntnis, dass hier kein Platz für Vernunft war. Terroristen hatten sich der nackten Gewalt verschrieben, weil ihnen Terroranschläge an sich Befriedigung verschafften, und nicht – wie sie behaupteten – weil sie in die Enge getriebene Kämpfer für die gute Sache waren. Welche Ungerechtigkeiten sie auch angeblich ausmerzen wollten, Männer, die politische Blutverbrechen begingen – ob sie nun IRA-Heckenschützen, Schwarze Panther, Vietkongs oder von der Arabischen Befreiungsfront waren –, handelten so, weil ihnen die Gewalt Selbstzweck war.
Unter anderen Umständen hätte Paul Bronstein das vielleicht nicht zugegeben, nicht einmal vor sich selbst. Aber hier, in unmittelbarer Lebensgefahr, durfte man sich keiner Selbsttäuschung hingeben. Die Wahrheit hatte sein sorgsam errichtetes Gedankengebäude mit einem einzigen brutalen Stoß schwer erschüttert. Die Zellenwände ringsum, die bewaffneten Araber, die schreckliche Nacht und die bedrohlichen Zukunftsaussichten – das waren Tatsachen, die sich nicht wegleugnen ließen.
Er hörte das Geräusch schwerer Schuhe im Korridor, und sein Herz begann wild zu schlagen. Als die Schritte vor seiner Tür verstummten, zwang sich Bronstein zu aufrechter Haltung.
Der Mann, der sich Oberst Leč nannte, trat ein und starrte den Gefangenen einen Moment lang an.
»Sie heißen Bronstein?«
»Ja.« Zum Glück zitterte seine Stimme nicht.
»Sollte ich Sie kennen? Sind Sie ein wichtiger Mann?« fragte Leč.
Unter dem scharfen, ironischen Blick knickte Bronstein innerlich ein. »Ich bin der Sondersekretär des Vizepräsidenten, für persönliche Kontakte und …«
»Dann sind Sie keineswegs wichtig«, erwiderte Leč böse lächelnd. »Ich habe bereits persönlichen Kontakt mit Ihrem Chef.« Er rief etwas in den Korridor, sofort kamen zwei Araber gelaufen.
»Bronstein, Bronstein.« Leč wiederholte den Namen mit gespielter Nachdenklichkeit. »Sie sind Jude, wie?«
»Ich … ich hegte immer Sympathien für die arabische Sache.«
»Ich habe Sie nicht nach Ihren politischen Ansichten gefragt, sondern ob Sie Jude sind.«
Nach einem kurzem Schweigen sagte Bronstein fest: »Ja, ich bin Jude.«
»Na also. Zionist?«
»Nein.«
»Wie ist das möglich? Alle Juden sind für Israel und den Zionismus.«
»Ich bin vor allem Amerikaner und erst in zweiter Linie Jude. Viele amerikanische Juden haben Sympathien für die Araber, die hier im Nahen Osten viel zu erdulden hatten.«
»Sympathien?«
»Jawohl.« Paul bemühte sich, seiner Stimme einen festen Klang zu geben. »Wir verdammen Gewalt und Terror, aber wir haben vollstes Verständnis …«
»Verdammen, Bronstein?«
Paul konnte nur nicken. Mein Gott, er plapperte wie ein Narr, ohne selbst zu begreifen, was er sagte.
»Bronstein, Brrronnschtein …« Leč rollte den Namen auf der Zunge, bis daraus ein misstönendes Geräusch wurde. »Wir Albaner hassen die Juden. Wußten Sie das, Bronstein?«
Paul schluckte.
»Aber Sie sind ja ganz unwichtig«, begann Leč wieder. »Welchen Posten haben Sie? Sonder …« Er hob fragend die Augenbrauen.
»Ich bin Sondersekretär des Vizepräsidenten.«
»Sie sind nichts als ein widerlicher Jude.«
Bronstein schwieg.
»Und Sie hegen Sympathien für das arabische Volk, so sagten Sie doch, oder?«
»Ja.«
»Ausgezeichnet. Dann können Sie uns nützlich sein.«
»Der Vizepräsident hält große Stücke auf meinen Rat, Oberst Leč«, erwiderte Bronstein mühsam. »Ich könnte bei Verhandlungen von Nutzen sein.«
»Genau das möchte ich«, sagte der Albaner knapp. Er rief den arabischen Wachen einen Befehl zu und trieb mit dem Lauf seines Karabiners den Gefangenen zum Gehen an.
Bronstein wurde durch einen im Mauergefüge ausgebrochenen Gang geführt, dann um eine Ecke und eine schmale Steintreppe hinauf. Über sich sah er den
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