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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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Himmel, hell im strahlenden Glanz eines Wüstenmorgens. Sie stiegen auf die breite Plattform der Umfassungsmauer. Bronstein war von der grellen Sonne geblendet. Als sich seine Augen an das starke Licht gewöhnten, sah er in dem Talgrund, der sich nach Osten erstreckte, zwei blaue Hubschrauber der US Air Force mit dem Zeichen der Friedenstruppe, und dahinter drei große Transportmaschinen. Amerikanische Soldaten mit blauen Baretts waren im weiten Halbkreis durch die ganze Senke postiert. Vor der schroffen Felswand des Berges Sinai schwebte ein zweisitziger Dragonfly-Hubschrauber als Luftbeobachter.
    In einiger Entfernung von der Mauer, unter einer Gruppe hoher Zypressen, standen die Mönche des Klosters bei einigen schwarzen Bündeln, die auf dem steinigen Boden lagen.
    »Ihre Landsleute haben das Kloster eingekreist. Aber bis jetzt waren sie so klug, uns nicht anzugreifen«, sagte Leč.
    Bronstein hatte keine Ahnung von militärischen Belangen, dennoch war ihm klar, dass die Einheiten den Bau jederzeit hätten erstürmen können. Ebenso klar war ihm auch, dass sie dann nur tote Geiseln vorfinden würden.
    »Sind Sie über die Situation im Bilde, Bronstein?«
    »Ja, Oberst. Ich könnte mit den amerikanischen Offizieren sprechen und …«
    Eine brüske Handbewegung schnitt ihm das Wort ab. »Nicht nötig. Die Offiziere da unten wissen alles, was sie wissen müssen. Aber vielleicht muß man sie von Zeit zu Zeit daran erinnern, dass wir es ernst meinen. Und dabei können Sie uns große Dienste leisten.«
    »Ich tue alles, was in meiner Macht steht, Oberst Leč.«
    »Gut, Bronstein.« Er schob ihn entlang der Mauer zu einer Stelle, wo zwei andere Guerillas standen. Ein Strick, am inneren Rand der Plattform befestigt, spannte sich quer über die Bodenquadern und verlief nach außen. Bronstein konnte das untere Ende nicht sehen, aber offenbar hing etwas Schweres daran, denn auf einen Wink von Leč packten die Araber zu und begannen das Ding heraufzuziehen. Paul bemerkte, dass die Soldaten im Tal den Vorgang schweigend beobachteten.
    Leč grinste ihn an. »Als gewiegter Verhandlungspraktiker werden Sie mir recht geben, dass es erforderlich ist, hin und wieder durch eine eindrucksvolle Geste die eigenen Absichten zu betonen.«
    »Natürlich, Oberst«, erwiderte Paul zögernd.
    »Gut. Dann kommen Sie.«
    Die Gewehrmündung eines Guerillas im Rücken, folgte Paul Bronstein dem Albaner. Die Araber vor ihnen zogen noch immer am Strick, und im nächsten Moment sah Paul mit namenlosem Entsetzen, wie die Leiche John Emersons über die Kante der Mauer geschleift wurde. Leč bückte sich, lockerte die Schlinge um den Hals des Toten und streifte sie über Bronsteins Kopf. Die rauen Fasern auf der Haut zu fühlen war grauenhaft. Seine Knie knickten ein. Die beiden Araber und Leč hielten ihn fest.
    Der Mann, der ihn bewacht hatte, zog ihm die Armbanduhr vom Handgelenk. Leč lächelte bedauernd und zuckte die Achseln. »Ein Geschenk unter Freunden der arabischen Sache, Genosse Bronstein. Sie haben doch nichts dagegen.«
    Bronsteins Atem ging in rasselnden Stößen.
    »Nun können Sie uns nützlich sein, Bronstein«, sagte Leč. Er rollte die Leiche zur Mauerkante und beförderte sie mit einem Tritt hinunter. Einer der Soldaten draußen im Gelände stieß einen Wutschrei aus.
    »Sie bleiben mit Hassan und Rifai hier. Wenn die Amerikaner zu nahe kommen sollten, dann sind Sie der nächste, der baumelt. Auf diese Weise können Sie der friedlichen Koexistenz dienen.« Leč verschwand.
    Es dauerte einige Zeit, bis Paul die Erkenntnis dämmerte, dass er nicht sofort von der Mauer gestoßen würde, sondern mit dem Strick um den Hals warten mußte.
    Sein Schicksal hing nun ganz vom Verhalten der Truppen im Tal ab.
    In der Befehlsstelle der sowjetischen strategischen Raketenwaffe, in einiger Entfernung von Moskau, sprach General Igor Michailowitsch Krasnow via TV mit seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Verteidigungsminister.
    »Alle Sprengköpfe sind scharfgemacht, Genosse Marschall. Können wir das Füllen des Tanks fortsetzen?«
    »Ich habe noch nicht die Erlaubnis dafür erhalten. Bleiben Sie in Bereitschaft.«
    »Jawohl, Genosse Marschall.« Der General unterdrückte ein Gefühl der Unsicherheit. Die amerikanischen Interkontinentalraketenbasen, von denen die meisten seine eigenen Abschußbasen als Ziele hatten, waren mit sofort einsatzbereiten Minuteman-Raketen bestückt, die festen Treibstoff gefüllt hatten. Der Gegner brauchte nicht

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