Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
Vom Netzwerk:
Empörung und Angst. Die Medien verbreiteten jedes neu auftauchende Gerücht durch Extraausgaben und TV-Sondersendungen. Viele dieser Berichte waren sehr vage, und manche erwiesen sich als glatt aus der Luft gegriffen. Der Informationsdienst des Pentagons gab keine offizielle Stellungnahme ab, ließ aber Hinweise auf eine akute, schwere Bedrohung der USA durchsickern. Aus alldem ergab sich die dringende Notwendigkeit, endlich einen klar definierbaren Gegner zu nennen. Die arabischen Guerillas, deren Beteiligung am Verschwinden Talcott Baileys man bereits überall vermutete, waren als politische Kraft zu unbedeutend, um das Objekt einer solchen Empörung zu sein. Aus amerikanischer Sicht gesehen, waren fast alle Konflikte und Krisen der jüngsten. Vergangenheit im sowjetischen Machtstreben begründet. Was lag also näher und erschien logischer, als die Schuld am Tod des Präsidenten und der noch unbestätigten Ermordung des Vizepräsidenten den Russen anzulasten?
    Fowler Beal konnte laufend TV-Berichte über Aufruhr und Demonstrationen gegen sowjetische Organisationen und Sowjetbürger in fast allen Großstädten der USA verfolgen. Was ihn dabei am meisten erschütterte, war die leicht erkennbare psychologische Verwandtschaft zwischen dem empörten Volk und dem Vorsitzenden des Vereinigten Generalstabs. Wenn keine Lockerung der Situation eintrat, würde das Volk bald zu den Waffen greifen wollen, und es wurde immer klarer, dass Ainsworth entschlossen war, diesem Wunsch zu willfahren.
    Im Kommandobunker hatte man Beal zeremoniell in die Kommunikationszentrale des Präsidenten geleitet. Seine Tür wurde von Militärpolizisten bewacht. Er hatte das unangenehme Gefühl, dass er praktisch ein Gefangener der Generalstabschefs war – zumindest von Stuart Ainsworth und Armando Rivera. Die beiden saßen an den Zündmechanismen und wollten diese Gelegenheit wahrnehmen, die Sowjets zu einem Rückzug zu zwingen oder eine kommunistische Bedrohung für immer aus der Welt zu schaffen. Vermutlich gehörte auch Brandis, der Kommandeur des Marine Corps, zu ihnen. Blieben also nur der Chef des Admiralstabs – der seine Position hauptsächlich Ainsworth verdankte – und der alte General Shackleford, der Stabschef der Armee, als die einzigen Vertreter einer Mäßigung.
    Beal schaltete das Fernsehgerät aus. Ein Kommentator hatte soeben erörtert, wie gefährlich es wäre, die Übertragung der Regierungsgewalt auf irgendeine Person, sei es wer auch immer, auch nur um einen Tag zu verzögern. Der Sprecher schien anzudeuten, dass jeder dafür recht wäre, sogar der geheimnisvoll unerreichbare Speaker des Repräsentantenhauses.
    Beal drückte auf den Intercom-Knopf und sagte: »Ich wünsche General Shackleford zu sprechen.«
    Ein Adjutant antwortete: »Ich werde nachsehen, ob er abkömmlich ist, Sir.«
    Beal nahm seinen Mut zusammen und sagte scharf: »Sagen Sie General Shackleford, der amtierende Präsident möchte ihn sprechen – und zwar sofort.« Bevor der junge Offizier antworten und vielleicht Beals Argwohn über seinen Status bestätigen konnte, hatte er schon ausgeschaltet.
    Nervös rauchend überlegte er, was seine Frau Doris, die sich irgendwo tief im Inneren des Catoctin-Berges befand, wohl von dieser plötzlichen Wendung halten mochte. Und was geschah mit Terri McLean? Irgendwie schämte er sich, dass er im entscheidenden Augenblick, als er berufen wurde, seine verfassungsgemäßen Pflichten zu erfüllen, in ihren Armen gelegen hatte. Das sieht mir ähnlich, dachte er. Gott sei meinem Land gnädig, wenn es von einem Mann wie mir erwartet, dass er einen Stuart Ainsworth und einen Armando Rivera im Zaum halten kann.
    General Shackleford erschien. Sein Gesicht war ausdruckslos. Wie beurteilte der alte Soldat die Lage? Beal mußte es wissen, wenn er die Ereignisse der nächsten Stunden beeinflussen wollte.
    »Sie haben mich sprechen wollen, Sir?«
    Prüfend musterte ihn Beal. Shackleford stand knapp vor der Pensionierung. Beal erinnerte sich, dass Bill Tate als sein Nachfolger vorgesehen war. Ainsworth hatte sich nie offen dagegen ausgesprochen, aber er hatte die Absicht, die Ernennung zu hintertreiben. Doch Shackleford selbst hatte, wenn auch behutsam, die Kandidatur Tates unterstützt.
    Unter Beals aufmerksamen Blicken rückte er etwas verlegen auf seinem Sitz. Ein behäbiger Mann mit wettergegerbtem Gesicht, der über gute Verbindungen verfügte und seinem Land seit Jahrzehnten treue Dienste leistete; kein brillanter

Weitere Kostenlose Bücher