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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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durch die offene Tür der Maschine. Er fühlte sich etwas besser, entschlossener. Doch auch während Beaufort jetzt den Helikopter in südlicher Richtung hielt, auf die Straße nach Ei Thamad zu, konnte Tate sich nicht von jener düsteren Vorahnung befreien, die immer noch auf ihm lastete. Das war gestern ein schlimmer Tag gewesen, und eine innere Stimme warnte ihn, dass der heutige noch schlimmer sein würde.

13
    Das Abu-Mussa-Kommando zog unter der Kuppe des Ras El Ginena dahin. Der Himmel zeigte die eigenartige Tönung gehämmerten Silbers. Der Berg lag in der Zentralen Zone, etwa dreißig Kilometer vom UN-Hauptquartier entfernt. Die von ausgewaschenen Spalten und engen Tälern durchfurchten Abhänge waren steil und kalt. Die Abu Mussa folgten dem alten, schmalen Hirtenpfad, der sich dreihundert Meter unter dem gerundeten Gipfel hinzog. Sie ritten einzeln hintereinander und trieben ihre Kamele zwischen dem Abhang und einer tiefen Schlucht voran.
    Enver Leč hatte sein Tier mit einiger Mühe auf eine vorspringende Stelle manövriert, von wo aus er die gesamte Marschroute überblicken konnte.
    Leila Jamil ritt voran, sie führte die lange Reihe ihrer Männer stetig nach Norden. Die Fedaijin hinter ihr schauten immer wieder zum Himmel auf. Leč wußte, dass ihre Sorge unbegründet war, denn nach den Bestimmungen des Zypernabkommens durfte der Luftraum über der entmilitarisierten Zone, je zwölfeinhalb Kilometer zu beiden Seiten von 34° Ost, nicht überflogen werden. Dieses Verbot, dachte Leč, war nur ein Beweis mehr für die unglaubliche Dummheit der Vereinten Nationen. Kein einziges Land der Welt hätte eine entmilitarisierte Zone unverteidigt gelassen oder sich des Rechtes begeben, sie aus der Luft zu überwachen. Dennoch hatte die Vollversammlung der Vereinten Nationen in seltener Einmut gerade das getan, ja es sogar gefordert – als Preis für ihr Einverständnis und die Zusammenarbeit mit den Besatzungsmächten auf Sinai. Unsere Stärke, ging es Leč durch den Kopf, liegt nicht in der Ideologie, sondern in der Idiotie der anderen. Bakunin würde es genossen haben.
    Noch einmal studierte Leč die Karte. Sie befanden sich etwa sechzehn Kilometer von der Straße nach Thamad entfernt. Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war eine seltsam blasse Sonne, von einer Schicht dünner Wolken getrübt. Sie waren jetzt im Herzen des Massivs und hatten noch eine beschwerliche Wegstrecke vor sich, aber sie würden genügend Zeit haben, um die Gegend auszukundschaften und ihre Positionen einzunehmen.
    Die Russen und die Ägypter stellten eine unbekannte Größe dar, aber sie würden aus dem Westen in die Zentrale Zone kommen. Mit ein klein wenig Glück konnten die Abu Mussa – oder was nach dem Feuergefecht noch von ihnen übrig war – ein Zusammentreffen mit ihnen vermeiden.
    Der ursprüngliche, in Tirana ausgearbeitete Plan sah einen geordneten Rückzug der überlebenden Araber nach dem Überfall nicht vor. Leila Jamil und ihre Männer wurden als entbehrlich angesehen. Schon in den letzten Jahren hatte sich die Wirksamkeit der Abu Mussa stark vermindert, und nach der Ermordung des amerikanischen Vizepräsidenten würden sie völlig unbrauchbar geworden sein, Envers Befehl lautete, sich so schnell wie möglich von den Überlebenden abzusetzen, sich allein zur Südostküste durchzuschlagen und dort auf das U-Boot zu warten, das bereits zu dieser Stunde vor der saudiarabischen Insel Sanafir kreuzen sollte.
    Aber Enver Leč war zu lange Freischärler gewesen, um seine Chancen, dieses Rendezvous einhalten zu können, sehr zuversichtlich zu beurteilen. Es war durchaus möglich, dass sich das U-Boot noch nicht einmal in der Nähe von Sanafir befand. Der gesunde Menschenverstand sagte ihm, dass es einem albanischen U-Boot schwerfallen würde, sich längere Zeit in den nördlichen Gewässern des Roten Meeres herumzutreiben. Sowohl die sowjetischen wie auch die amerikanischen Schnellboote patrouillierten diesen Abschnitt täglich, und es war nicht anzunehmen, dass Tirana – auf die entfernte Möglichkeit hin, Enver Leč zu retten – ein U-Boot opferte, auch wenn es schon dreißig Jahre alt war und die Russen es billig losgeworden waren.
    Während die Abu Mussa an ihm vorbeiritten, arbeitete sein listiges Hirn auf Hochtouren. Es war sein Erfindungsreichtum gewesen, der ihn schon in Vietnam, in Bengalen und Kambodscha am Leben erhalten hatte. Er fragte sich: Angenommen, man würde den ursprünglichen Angriffsplan um geringes

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