34° Ost
die wenigen ihm zur Verfügung stehenden Truppen einer praktischeren Verwendung zuzuführen, als sie bei der feierlichen Parade einzusetzen, die er zu Ehren der hohen Gäste geplant hatte. General Gunderssen, der die Wüste hasste und schwer unter der Hitze und Langeweile litt, mochte die meisten Amerikaner nicht, Major Paris am allerwenigsten. Es ärgerte ihn, als er aufgefordert wurde, seine Männer in die umliegenden Hügel und Wadis zu entsenden. Bis auf die am weitesten entfernten hatte er alle Patrouillen eingezogen, denn er wollte sich und seine Truppe gehörig präsentieren, wenn der Stellvertretende Ministerpräsident Rostow und der amerikanische Vizepräsident eintrafen. Er dachte nicht daran, in letzter Minute seine Pläne umzustoßen, nur um einen offenbar an Verfolgungswahn leidenden amerikanischen Sicherheitsoffizier zu beschwichtigen.
»Ich ziehe seit drei Tagen meine Patrouillen ein«, erklärte er lässig, »damit sich Rostow und Bailey ein Bild über die Stärke der UN-Truppe hier in der Zone machen können. Ich habe nicht die Absicht, meine Männer über Hunderte von Quadratkilometern zu zerstreuen, um uns vor imaginären Feinden zu schützen.«
»Die entmilitarisierte Zone ist voll von Beduinen«, sagte Paris.
»Ein paar Stammeskrieger und ihre Familien. Habt ihr Amerikaner Angst vor ihnen?«
Die Einstellung des Generals ärgerte Major Paris, aber er konnte nichts tun.
»Seien Sie unbesorgt, Major Paris«, sagte der Schwede in seinem korrekten Schulenglisch. »Wir befinden uns ja schließlich hier auf UNO-Gebiet.«
Sie standen in der Einfahrt des aus amerikanischen Mitteln errichteten Hauptquartiers, von dessen Fahnenmasten die Kreis-und-Pfeile-Flagge und die der Vereinten Nationen flatterten. Paris blickte über den von Amerikanern planierten Paradeplatz zu den von Amerikanern gelieferten Betonfertigteilbaracken und Büros auf der anderen Seite des Talcs. Mit von amerikanischen Schulkindern gespendetem Geld gekaufte Zitronenbäume säumten die mit freiwilligen Gaben amerikanischer Bürger bezahlten Schotterstraßen. »Gewiß, General«, sagte er ironisch, »das hatte ich vergessen.«
Jape Reisman saß ruhig in der Limousine des Vizepräsidenten und betrachtete den silberfarbenen Himmel, die öde Mondlandschaft des Nordplateaus und die rostbraunen, in der Ferne aufragenden Berge.
Talcott Bailey und Jason Seidel waren in eine mit zunehmender Schärfe geführte Diskussion über die politische Lage in den Vereinigten Staaten vertieft. Paul Bronstein, der vorne neben dem Fahrer saß, wandte hin und wieder den Kopf zurück, um einen Kommentar zu geben. Emerson und Colonel Crowell schwiegen.
Crowells scharfe Augen hatten einige der an der Straße postierten Trupps ausgemacht, und Reisman konnte deutlich erkennen, dass der Colonel mit dem, was er sah, zufrieden war. Bis jetzt hatte sich der Vizepräsident zu diesen Sicherheitsmaßnahmen, die ohne sein Wissen und ohne sein Einverständnis getroffen worden waren, nicht geäußert.
»Ich habe nicht den Eindruck, dass der Isolationismus bei der breiten Öffentlichkeit Amerikas Anklang findet«, sagte Seidel soeben.
Reisman unterdrückte ein Lächeln. Das Wort ›Isolationismus‹ würde genügen, um Bailey in Fahrt zu bringen. Der Vizepräsident betrachtete sich nicht als Isolationisten; zwar war es nicht ganz leicht, den Unterschied zwischen ihm und einem wirklichen Isolationisten zu definieren, aber Talcott Bailey versuchte es immer wieder.
»Wenn wir uns auf unsere eigenen Probleme konzentrieren, statt außerhalb unserer Grenzen auf Abenteuer zu gehen, ist das noch lange kein Isolationismus, Richter Seidel«, entgegnete Bailey in leicht gereiztem Ton. »Meine Wählerschaft, wie Sie das nennen, besteht vornehmlich aus Leuten, die der Überzeugung sind, wir müßten in erster Linie den Verpflichtungen im eigenen Lande nachkommen. Sie stehen seit Jahren nicht mehr im öffentlichen Dienst, Richter Seidel. Ich glaube, Sie haben keinen Kontakt mehr mit den Strömungen, die in zunehmendem Maße das Denken unseres Volkes bestimmen.«
»Vielleicht haben Sie recht, Mr. Vice President«, sagte der Richter.
Aber Sie bezweifeln es, Jason Seidel, dachte Reisman. Ja, mit Seidel als potentiellem Nachfolger hatte der Präsident eine gute Wahl getroffen. Wenn man dem Richter Zeit gab, noch ein wenig zu reifen, mochte er ein erstklassiges Staatsoberhaupt abgeben.
Bailey beugte sich vor und spähte durch das Seitenfenster nach oben. »Ist das ein Hubschrauber,
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