34° Ost
weißhaarigen Kopf herein. Es gehörte zu seinen Gewohnheiten, vor jedem Abflug ein paar Worte mit der Besatzung zu wechseln. »Alles klar, Ira?«
»Wir sind bereit, wenn Sie bereit sind, Mr. President.«
»Neue Besatzung?« sagte der Präsident.
»Jawohl, Mr. President.« Dayton stellte Campbell und Wingate vor.
»Bleiben Sie sitzen, meine Herren. Wir sehen uns später auf ein Schwätzchen.« Er lächelte den Männern im Cockpit zu. »Na, dann los, Ira. 'raus aus diesem Wetter und in die Sonne!«
»Jawohl, Mr. President.«
Air Force One, deren spiegelglatter Leib vom Dunstschweiß glänzte, rollte zur Wartezone am Kopfende der Startbahn.
Fowler Beal warf einen flüchtigen Blick auf Ainsworth, der mit steinernem Gesicht im regnerischen Licht stand; die plötzliche Entscheidung des Präsidenten, nach Palm Springs zu fliegen, schien ihn in keiner Weise zu beunruhigen. »Natürlich drückt er sich vor dem russischen Botschafter«, hatte er ihm kurz mitgeteilt. »Unnötigerweise. Die Roten sind an diesem verdammten Abkommen weit mehr interessiert als wir. Warum auch nicht? Damit legitimieren diese Schweinehunde doch ihre Präsenz auf Sinai! Der Präsident kann es sich leisten, die ›Allende‹-Geschichte dem Außenamt aufzuhalsen. Beachten Sie bitte, dass er auch Dickinson aus dem Schussfeld nimmt. Er macht's genau richtig, finden Sie nicht auch, Fowler?«
Beal dachte, dass der Admiral sicherlich weiß Gott was darum geben würde, wenn man ihm erlaubte, mehr zu tun, als bloß russische Schiffe zu stoppen. Wahrscheinlich würde er sie liebend gerne mit abschussbereiten Atomraketen aus dem Mittelmeer hinaus und die Wolga hinauf gejagt haben. Beal versuchte sich die Auswirkungen einer solchen Konfrontation auf das labile Gleichgewicht zwischen den Großmächten und auf den Weltfrieden vorzustellen. Ihm wurde ein wenig übel. Sein Verstand, das hatte er längst begriffen, war einfach nicht groß genug, um die letzten Konsequenzen solcher Aktionen durchzudenken.
»Weg sind sie«, sagte Ainsworth.
Beal hob den Blick. Mit blinkenden Positionslichtern rollte Air Force One durch den grauen Dunst die Startbahn hinunter, erhöhte ihre Geschwindigkeit und verwandelte die Pfützen auf dem Beton in steil aufschießende Fontänen. Einen Augenblick lang beneidete Beal den Mann in der Maschine. In wenigen Stunden schon würde er weit fort sein und im hellen Sonnenschein selbstsicher über den gepflegten Rasen eines Golfplatzes spazieren. Er hatte den Mut, einfach abzugondeln und blauzumachen, während andere im trübseligen Washington bleiben und den täglichen Trott auf sich nehmen mußten. Wie herrlich wäre es doch, für sich solche freie Entscheidungen treffen zu können!
Er beschloß, nicht gleich heimzufahren. Seine jetzige Geliebte in Rockville, eine gewisse Terri McLean, würde wohl noch schlafen, wenn er hinkam, dann zwar murrend, aber noch angenehm warm vom Bett, aufstehen und ihn verwöhnen. Das würde ein kleiner Ausgleich dafür sein, dass er hier im Regen warten und sich mit dem Wunsche begnügen mußte, ein größerer Mann zu sein, als er war.
Er ließ seinen Blick von Admiral Ainsworth' grimmigem Gesicht zur Startbahn wandern. Air Force One schwenkte auf den Abflugstreifen ein, rollte immer schneller und hob ab. Sehnsuchtsvoll sah er der Maschine nach, bis ihre Lichter im dunstigen, blaugrauen Himmel über dem Kapitol verschwanden.
14
Ungefähr um die Zeit, da die Kolonne des Vizepräsidenten den Stützpunkt des amerikanischen Kontingents in El Thamad erreichte, kam der diplomatische Kurier aus Teheran vor dem unscheinbaren Gebäude in Jerusalem an, das die Russlandsektion des Mosa'ad beherbergte. Unter dem zahlreichen Material, das er dem diensthabenden Offizier in der schwerbewachten Vorhalle übergab, befand sich auch ein versiegelter Plastikumschlag mit den Fotos, die Kosmos 623 von Sinai aufgenommen hatte.
Das Material aus Teheran wurde eingetragen, sortiert und an die dafür zuständigen Abteilungen im Haus weitergegeben. Diese administrative Arbeit nahm etwa eine Stunde in Anspruch und war kurz nach vier Uhr beendet. Um diese Zeit passierte der Konvoi des Vizepräsidenten die südliche Vorpostenlinie des Ersten Fallschirmaufklärungsbataillons und näherte sich der sechs Kilometer südwestlich verlaufenden Grenze der entmilitarisierten Zone.
Um 16.15 Uhr beobachtete General Tate, der mit seinem Kampfhubschrauber in dreihundert Meter Höhe den östlichen Arm des Wadi El Arisch überflog, dass der
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