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35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

Titel: 35 - Sendador 02 - In den Kordilleren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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willen, erlösen Sie mich von diesem Leiden, von dieser Qual!“
    „Jetzt wollen wir hin“, sagte ich. „Er befindet sich in dem von mir erwarteten Zustand.“
    Wie sah der Mann aus! Sein Gesicht hatte die Farbe des Löschpapiers. Seine Augen waren weit aus ihren Höhlen getreten, erbsengroße Schweißtropfen rannen ihm von der Stirn und den Wangen, und aus dem Mund geiferte dicker, blutiger Schaum.
    „Schnell, schnell!“ bat er. „Ich sehe Sie nicht deutlich. Sie sind rot, ganz rot, denn meine Augen sind voll Blut. Aber ich sehe doch, daß Sie der Señor sind, welcher mich erhören wird, wenn ich ihn um Gottes willen bitte, mein Geständnis anzuhören.“
    Es schauderte mich. Ich hätte ihn herzlich gern sofort befreit, aber ich beherrschte mich und antwortete in ruhigem Ton:
    „Das werde ich; aber erst dann, wenn ich überzeugt bin, daß Sie die Wahrheit sagen.“
    „Ich sage sie; ich sage sie! Schnell, schnell, nehmen Sie das Wasser weg!“
    „Sagen Sie vorher, wo Señor Horno sich befindet!“
    „An der Laguna de Bambú auf der Isleta del Circulo.“
    „Allein?“
    „Ein Kaufmann Pardunna mit seinem Sohn aus Goya ist bei ihm.“
    „Auch wegen Lösegeld?“
    „Ja.“
    „Liegt ein Dorf der Mbocovis dort?“
    „Zwei.“
    „Wie viele Krieger befinden sich in dieser Laguna?“
    „Nur vierzig.“
    „Wie weit ist es von hier bis hin?“
    Da legte Pena mir die Hand auf die Achsel und sagte in deutscher Sprache: „Quälen Sie ihn nicht. Ich war an der Laguna de Bambú bei den Mbocovis, kenne die Isleta del Circulo und werde auch den Weg von hier leicht finden. Dieses Mal sagt er die Wahrheit.“
    „Ich denke es auch, werde es aber doch streng prüfen.“
    Ich schob das Gefäß, welches fast kein Wasser mehr enthielt, zur Seite und zog Pena mit mir fort. Das Brüllen des Yerno hatte sich in ein herzzerbrechendes Seufzen und Wimmern verwandelt.
    „Wohin führen Sie mich?“ fragte Pena.
    „Zum Häuptling.“
    „Soll ich wieder mit ihm sprechen?“
    „Nein; Sie würden sich vielleicht abermals eine Nase drehen lassen. Sie sollen den Dolmetscher machen. Sie verändern aber nicht ein einziges Wort, lassen keins weg und fügen auch keins hinzu.“
    „Kommt es darauf gar so sehr an?“
    „Ja. Zwar auf die Worte nicht allein. Die Hauptsache ist, daß ich seine Gesichtszüge beobachte. Ich muß wissen, bei welchem Wort sie sich verändert haben.“
    Unica stand im Lagerraum. Sie hatte es nicht über sich gewinnen können, mit in den Garten zu gehen; für das Geheul des Yerno waren ihre sonst so starken Nerven doch nicht kräftig genug.
    „Hat er es endlich gesagt?“ fragte sie hastig.
    „Ja; aber ich will mich nun überzeugen, ob er mich nicht vielleicht doch noch belogen hat. Diesem Menschen ist selbst jetzt nicht zu trauen. Bringen Sie ein Licht, und führen Sie uns zum Häuptling.“
    „Den wollen Sie auch fragen?“
    „Fragen und beobachten. Das Letztere ist die Hauptsache.“
    Sie nahm das Licht in die Hand, um uns zu leuchten, und öffnete die Tür. Wir traten in den Raum, in welchem die Fässer und zwischen ihnen die Gefangenen lagen. Dort suchten wir den Häuptling El Venenoso auf. Er war ebenso an den Händen und Füßen gefesselt wie die andern. Ich band ihm die Riemen los, so daß er sich im vollständigen Gebrauch seiner Glieder befand, und sagte zu Pena:
    „Jetzt sagen Sie ihm alles, was ich Ihnen vorspreche, aber möglichst wörtlich, wie ich Ihnen bereits bemerkte. Und die Übersetzung jedes Wortes, welches ich betone, betonen Sie ebenso. Also zunächst: Der Häuptling der Mbocovis, welcher sich Venenoso nennt, ist als ein sehr tapferer Mann bekannt.“
    Venenoso war, obgleich ich ihn von den Fesseln befreit hatte, in derselben Stellung liegen geblieben, die er vorher eingenommen hatte. Er schien den Stummen spielen zu wollen. Als Pena ihm die wenigen Worte in langsamer Weise sagte, mochte er doch über diese Art der Einleitung erfreut sein, denn er wendete uns das Gesicht zu, antwortete aber kein Wort. Ich diktierte weiter:
    „Und der Häuptling der Mbocovis ist auch ein reicher Mann.“
    Das dünkte ihm für seine gegenwärtige Lage so fremdartig, daß er sich aufsetzte, ohne aber ein Wort hören zu lassen. Weiter:
    „Da er ein so tapferer und reicher Krieger ist, mit dem ich sprechen will, so habe ich ihm dadurch meine Achtung zeigen wollen, daß ich ihn losgebunden habe. Nun schickt es sich für ihn, daß er sich erhebt und sich in seiner ganzen Gestalt sehen läßt.“
    Sofort

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