35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
auch noch verständigen werden. Ist Ihnen vielleicht die dänische Insel Sankt Thomas bekannt, da oben um die Antillen herum?“
„Ja.“
„Sehr schön! Als ich mich von meinem Freund, diesem Señor hier, den ich in Mexiko traf, verabschiedete, ging ich nach Sankt Thomas, aus welchen Gründen, das ist hier Nebensache. Dort traf ich einen jungen Menschen, einen halben Lüdrian, der sich Arzt nannte, aber keine Patienten hatte und doch herrlich und in Freuden lebte. Er hieß Knut Delmenborg und machte sich an mich, weil er gehört hatte, daß ich Goldsucher sei und eine tüchtige Bonanza gefunden hätte. Wir waren einige Male beisammen, tranken eins und noch eins, bis der liebe Knut einen tüchtigen Affen hatte und mir seine Erlebnisse erzählte.“
„Weiter, weiter!“ rief der Desierto fast atemlos, als Pena jetzt eine kleine Pause machte.
„Was weiter! Es ist nicht viel mehr zu berichten. Sie kennen ja die Geschichte auch. Sein Vater war von einem Apotheker gestochen worden und drei oder vier Tage als tot liegen geblieben. Dann aber war der Starrkrampf gewichen, welcher zur Untersuchung der Wunde und dem Verband sehr glücklich beigetragen hatte; edle Teile waren nicht oder nur ganz leicht verletzt, und so spazierte der Erstochene nach kurzer Zeit gesund in seine Heimat, also nach Handsted zurück. Nach dem Mörder wurde nicht mehr gesucht. Die Justiz begnügte sich damit, sein Hab und Gut eingezogen zu haben.“
Da fuhr der Alte auf Pena zu, ergriff seine beiden Hände und fragte, ich konnte nicht unterscheiden, ob mit fliegendem oder stockendem Atem: „Herr Pena, erzählen Sie die Wahrheit?“
„Wenn nicht jedes Wort wahr ist, so mögen Sie mir auch etwas durch den Leib rennen, es mag sein, was Ihnen beliebt, ein Säbel, ein Konzertflügel oder gar ein Kanapee!“
„Sie täuschen sich nicht? Sie meinen wirklich jenen Harald Delmenborg aus Handsted?“
„Nur diesen! Denken Sie sich nun sein Erstaunen, als nach Verlauf von zwei Jahren tausend Dollar an seine Frau kommen, und dazu die Bemerkung, daß dieses Geld von dem Mörder komme, welcher bis an seinen Tod jährlich eine möglichst hohe Summe senden werde! Der Sohn hatte mit Hilfe auch dieses Geldes studiert, aber nichts gelernt. Er tat wahrscheinlich nicht gut und wurde von seinem Vater in die Kolonie geschickt, um sich die Hörner abzustoßen. Dort traf er mich.“
„Sie schwören mir zu, daß Sie mir die Wahrheit sagen, daß Sie sich diese Geschichte nicht ausgesonnen haben, um mich glücklich zu machen?“
„Eigentlich sollte ich Ihnen wegen dieser Frage zürnen; aber ich habe jetzt zufällig eine gute Stunde und werde Sie also nicht zur Strafe für diese Beleidigung erstechen.“
Der Alte rannte tränenden Auges zur Tür hinaus. Nun veränderte sich das Gesicht Penas schnell. Er zeigte eine tiefe, tiefe Rührung, und mit leiser, zitternder Stimme sagte er:
„Was sagen Sie dazu?“
„Gottes Wege sind wunderbar! Sehen Sie das ein?“
„Ich müßte blind und taub sein und noch viel mehr sein, wenn ich das nicht einsähe! Hätte ich das ahnen können, als ich jene Woche in Sankt Thomas war! Wissen Sie, wo der Alte jetzt ist?“
„Sicher in seiner Betstube.“
„Ja, er hat nun mit einem ganz anderen als mit mir zu sprechen. Der Abend seines Lebens wird nun leicht und hell werden. Und ich weiß, warum ich von einer starken Hand hierher nach der Laguna de Carapa gezogen wurde. Wollen wir nicht nun wieder nach dem Yerno sehen?“
„Ja, kommen Sie!“
Wir hatten die Stube noch nicht verlassen, da kam Unica und sagte:
„Señores, kommen Sie um des Himmels willen in den Garten! Der Yerno ist verrückt geworden. Ich war soeben fertig mit den Gefangenen und ging hinaus, aber es war mir unmöglich zu bleiben. Und unten am Felsen stehen alle Bewohner des Dorfes, um seine Stimme zu hören. Niemand weiß sich dieses Gebrüll zu deuten.“
Wir eilten nach dem Garten; wir waren länger fortgeblieben, als ich mir vorgenommen hatte. Noch schritten wir durch den Lagersaal, da hörte ich die Stimme. Es klang, als ob ein Stier erdrosselt werde. Als wir aus dem Treppenhäuschen traten, sah er uns und schrie uns mit einer wahrhaft unmenschlichen Stimme entgegen:
„Señors, kommen Sie, kommen Sie!“
Ich hielt Pena am Arm zurück. Der Yerno sah das und brüllte.
„Zögern Sie nicht. Ich weiß warum Sie stehen bleiben. Ich soll Sie um Gottes willen bitten. Ich tue es, ich tue es! Ich bitte Sie um Gottes, um des Himmels und um aller Heiligen
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