35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
sie nach ihm, finden weder ihn noch die Gefangenen und machen Alarm. Wenn das Dorf davon erwacht, kann uns der Überfall desselben nicht gelingen.“
„Überfall? So sind Sie nicht allein hier?“
„Nein. Haben Sie das gedacht?“
„Ja, weil Sie keinen Menschen sonst erwähnten. Ich glaubte, sie seien in Ihrer Weise unserer Fährte ganz allein gefolgt und wollen uns nun heimlich von hier fortschaffen.“
„O nein. Sie werden die Laguna de Bambú sehr öffentlich verlassen. Also warten Sie noch ein Weilchen!“
Ich entfernte mich, obgleich er mir noch zureden und mich warnen wollte. Eine kurze Strecke ging ich aufrecht; dann legte ich mich lang nieder und kroch in einem Bogen auf das Feuer zu. Es brannte nahe am Ufer. Zwischen ihm und dem Wasser standen einige Bambusse, hinter welche zu kommen ich trachten mußte. Ich erreichte diese Absicht zwar glücklich, aber sehr langsam.
Nun lag ich zehn Schritte vor dem Feuer entfernt, hinter mir das Wasser. Der eine Rote kehrte mir den Rücken zu, der andere das Gesicht. Bogen und Köcher lagen ihnen zu Händen; sie waren damit beschäftigt, aus hohlen Bambusgliedern kleine Gefäße zu schneiden.
Das machte meine Aufgabe schwieriger, als ich sie mir gedacht hatte. Ich konnte die zehn Schritte nicht tun, ohne von dem einen der Mbocovi gesehen zu werden. Fand er auch keine Zeit, den Bogen zu spannen, so konnte er doch mit einem Pfeil nach mir stechen. Töten wollte ich sie nicht. Die zwei Schüsse hätten übrigens das Dorf aus dem Schlaf geweckt. Was war da zu tun? Wenn ich die kurze Entfernung recht schnell durchsprang, so vergaßen sie vielleicht vor Schrecken, nach den Pfeilen zu greifen. Ich nahm also den Lauf des Stutzens in die rechte Hand und war schon bereit, mich aufzurichten, als mir ein Zufall zu Hilfe kam, welcher in anderem Fall für uns gefährlich anstatt vorteilhaft gewesen wäre.
Es erschallte nämlich vom Boot her ein zwar unterdrückter, aber doch immerhin am Feuer wahrnehmbarer Angstruf. Die beiden Mbocovis griffen augenblicklich zu den Waffen und sprangen auf. Nur vier, fünf Sekunden lang standen sie lauschend, die Gesichter nach der Gegend gekehrt, aus welcher der Ruf gekommen war, die Rücken also mir jetzt zugewendet. Da sprang ich vor; ein Kolbenschlag, und der eine stürzte zu Boden; der andere hörte den Hieb und drehte sich herum; das Entsetzen machte ihn starr; mit weit aufgerissenen Augen mich anstaunend, empfing er den Hieb, der auch ihn niederstreckte.
Jetzt war das erste, die Giftpfeile in Sicherheit zu bringen; erst dann dachte ich an das nächste und rief die Yerbateros herbei, doch nicht so laut, daß man es auch im Dorf hätte hören können. Monteso kam mit seinen Leuten herbei, einen ausgenommen, welcher bei dem ersten Mbocovi zurückgeblieben war.
„Ist's möglich?“ fragte er, als er die Roten liegen sah. „Señor, was soll ich da denken!“
„Daß Sie alle recht verzagt gewesen sind. Fast zwanzig Weiße stecken da gefangen und fürchten sich vor drei roten Männern! Ist so etwas schon einmal dagewesen? Wer schrie denn bei Ihnen?“
„Der Indianer, als er erwachte.“
„Hatten Sie ihm nichts in den Mund gesteckt?“
„Eben wollten wir es tun. Hat es vielleicht geschadet?“
„Nein, sondern genützt. Sorgen Sie aber dafür, daß nicht auch diese beiden schreien, wenn sie je erwachen, falls sie nicht tot sind. Wir müssen sie mitnehmen. Leider faßt das Boot nun nicht alle; ich werde also noch einmal kommen müssen. Binden Sie die Männer und tragen Sie sie nach dem Boot.“
Das geschah in kürzester Zeit; dann wurden die drei Roten in das Fahrzeug gelegt, und ich und Monteso stiegen ein. Die Yerbateros mußten noch warten. Drüben am Ufer waren die übrigen indessen in großer Sorge gewesen, da ich so lange fortgeblieben war. Als wir ihnen die Mbocovis brachten, begriffen sie, daß ich nicht eher hatte zurückkehren können. Ich holte noch die Yerbateros herüber, und dann brachen wir nach dem Wald auf. Die Roten mußten natürlich getragen werden.
In tiefster Stille ging es um das Dorf herum und dann dem Wald zu, an dessen Rand ich anhalten ließ. Obgleich die Insel nicht weit von demselben lag, hatte ich doch über drei Stunden gebraucht, um meinen heimlichen Vorsatz auszuführen. Bis jetzt war keine Zeit zu Erklärungen gewesen. Nun aber befanden wir uns in verhältnismäßiger Sicherheit, so daß wir weder nötig hatten, außerordentlich vorsichtig zu sein, noch uns zu beeilen. Ja, von Eile konnte gar
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