35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
keine Rede sein, da es nicht in meiner Absicht lag, die Befreiten und die drei Gefangenen durch den finsteren Wald nach dem Lager zu führen.
Sie hatten sich niedergesetzt und warteten mit größter Spannung auf das, was ich nun erzählen werde.
„Es sind drei Personen mehr als früher“, sagte ich. „Ich vermute also, daß sich Señor Pardunna und sein Sohn aus Goya mit hier befinden?“
„Ja, wir sind da“, antwortete der Vater, „und bitten Sie, uns zu sagen, wie und womit wir Ihnen danken können. Aber wie können Sie unsere Namen wissen und daß wir uns hier befunden haben?“
„Davon später. Es ist ein dritter fremder Señor da. Heißt er vielleicht Adolfo Horno?“
„Ja, das ist mein Name“, antwortete der Genannte.
„So habe ich Ihnen eine wichtige Botschaft zu überbringen.“
„Welche, Señor?“
„Sie sollen möglichst schnell kommen; das soll ich Ihnen sagen. Daß sie Sie aber sehr lieb hat und mit Sehnsucht auf Sie wartet, das soll ich Ihnen nicht sagen.“
„Wer – sie?“
„Unica.“
„Uni – – –!“
Das Wort brach ihm auf der Zunge entzwei. Er sprang auf, ergriff meinen Arm und fragte atemlos:
„Unica? Sie kommen von ihr? Sie kennen sie?“
„Ich kenne sie so gut, daß sie mit mir nach Deutschland reisen will.“
„Señor – ah, welch eine Überraschung! Wir haben viel von Ihnen gesprochen, denn Ihre Gefährten erwarteten ihre Rettung nur von Ihnen allein. Wir glaubten Sie zwischen hier und Nuestro Señor Jesu-Christo, und anstatt dessen sind Sie bei Unica gewesen!“
„Und beim Desierto. Er ist mit seinen Tobas hier, um Sie zu befreien.“
„Er ist hier? Wo? Wo? Führen Sie mich zu ihm! Schnell, schnell!“
„Nur Geduld, mein Lieber! Das Führen durch den Wald hat seine Schwierigkeiten, wenn es Nacht und rabenfinster ist. Wir beabsichtigen, das Dorf zu umzingeln. Mitternacht ist schon vorüber, und so will ich lieber die Tobas holen, als Sie zu ihnen führen. Ich gehe. Erschrecken Sie also nicht, wenn plötzlich Männer hier unter den Bäumen erscheinen! Und sorgen Sie dafür, daß die drei Gefangenen nicht trotz ihrer Knebel laut werden!“
Ich suchte und fand den Weg nach dem Lagerplatz, in gerader Linie von Baum zu Baum mich forttastend. Es ist das weit schwieriger, als man vielleicht meinen mag. Ich war doch ein wenig nach der Seite abgekommen und wäre vorübergegangen, wenn nicht das Schnauben eines Pferdes mich auf die Irrung aufmerksam gemacht hätte.
Ich tastete mich von Schläfer zu Schläfer, bis ich den Baum erreichte, unter welchem ich gelegen hatte. Nun tat ich, als ob ich erwache. Einer der beiden Wächter verstand leidlich spanisch. Ich sagte ihm, daß es wohl an der Zeit zum Aufbruch sei und er deshalb den Desierto wecken möge. Nach kurzer Zeit waren alle munter. Wir durften nicht warten, bis das Tageslicht den Wald durchdrang, denn dann wäre es zu spät gewesen; also waren wir gezwungen, den der Pferde wegen so schwierigen Weg nach dem freien Camp zurückzulegen. Dies wäre nicht möglich gewesen, wenn die Bäume nicht so weit auseinander gestanden hätten. Da wir Reservepferde mithatten, so gab es Leute, welche zwei Pferde am Zügel führen mußten. Ich ging mit dem Desierto voran; die uns folgenden blieben durch leise Zurufe, welche von einem zum anderen gingen, in Fühlung und Verbindung.
So ging es langsam, sehr langsam weiter, bis wir uns dem Rand des Waldes näherten. Der schmale Mond hatte vorher tief hinter demselben gestanden, war aber indessen so hoch gestiegen, daß er sein Licht auf den Camp und selbst auch ein wenig zwischen die ersten Bäume senden konnte. Da blieb der alte Desierto stehen, deutete vorwärts und sagte leise:
„Halten Sie! Da draußen sitzen Leute!“
„Wie? wo?“ fragte ich. „Ah, wirklich! Wer mag das sein?“
„Es sind keine Roten. Der Kleidung nach sind es Weiße. Wir müssen sie belauschen.“
„Ganz gewiß! Befehlen Sie Ihren Leuten leise, zu halten. Sie, Pena und ich wollen uns dann anschleichen.“
Er gab seinen Befehl, welcher von Mund zu Mund ging; dann krochen wir drei vorwärts bis hinter die vordersten Bäume, in deren Nähe die Befreiten saßen. Sie waren so weit vom Dorf entfernt, daß sie nicht leise, sondern halblaut sprachen, und so konnten wir ihre Worte ganz leidlich verstehen. Soeben meinte der Bruder:
„Er wird wohl gewußt haben, warum er uns nicht direkt folgte, sondern erst zu dem Desierto ging. Wir haben dadurch freilich länger schmachten müssen, aber er
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