35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
Weißen haben nicht euch, sondern ihr habt sie angegriffen.“
„So war der Sendador schuld daran, und das geht uns nichts an. Macht es mit ihm ab; uns aber laßt in Ruhe!“
„Wir werden tun, was uns beliebt, aber nicht, was euch gefällt. Wo befinden sich die Krieger dieses Dorfes?“
„Auf der Jagd.“
„Und wann kehren sie zurück?“
„Schon heute. Nehmt euch also in acht! Wenn sie kommen, so seid ihr verloren, denn ihr habt uns überfallen und mehrere von uns verwundet!“
„Wir fürchten uns nicht vor ihnen und lassen uns von dir nicht einschüchtern. Eure Krieger sind nicht auf der Jagd und werden heute nicht zurückkehren. Vielleicht bekommt ihr sie nie wieder zu sehen. Sie sind von mir besiegt worden.“
„Wer sind Sie denn?“
„Ich bin der viejo Desierto, den sie überfallen wollten. Ich erhielt Kunde von ihrem Vorhaben und bin ihnen mit meinen Leuten entgegengezogen. Wir umringten sie so, wie wir jetzt euch umzingelt haben, und weil wir Schießgewehre besaßen, so mußten sie sich uns ergeben, um nicht alle niedergeschossen zu werden.“
Das Gesicht des Roten wurde erdfarbig. Er betrachtete uns mit ungewissem Blick, schluckte und schluckte und stieß dann hervor:
„Sie sind wirklich der Desierto?“
„Ich bin es, und die Indianer, welche sich bei mir befinden, gehören zum Stamm der Tobas.“
„Das glaube ich nicht. Wenn der Desierto käme, um uns zu überfallen, so wären nicht so wenige Krieger bei ihm.“
„Ich wußte, daß ich nicht mehr derselben gebrauchte. Ich habe von dem Yerno und auch von eurem Häuptling Venenoso erfahren, daß ihr nur vierzig Männer zählt.“
„Der Yerno ist bei euch und auch Venenoso?“
„Beide. Es ist uns keiner von euch entgangen; sie alle liegen gebunden in unserem Dorf; sie können euch nicht Hilfe bringen, und wenn ihr euch nicht ergebt, so seid ihr dem Tod geweiht.“
Man sah dem Indianer an, welchen Eindruck das, was er hörte, auf ihn machte. Er schwieg eine ganze Weile, um sich zu sammeln und nachzudenken; dann sagte er in drohendem Ton:
„Selbst wenn alle Ihre Worte die Wahrheit enthalten, brauchen wir uns nicht zu fürchten. Wir ergeben uns nicht.“
„So lebt in einer Stunde keiner von euch mehr! Ihr habt vorhin erfahren, daß eure Pfeile für uns unschädlich sind. Unsere Kugeln aber könnt ihr nicht entgehen.“
„Das mögen Sie versuchen. Sobald Sie auf uns schießen, geben wir den Wächtern ein Zeichen, und diese werden dann die Gefangenen sofort töten. Wollen Sie den Tod der Weißen nicht, so müssen Sie Frieden mit uns schließen und auch unsere Krieger alle herausgeben, die Sie ergriffen haben.“
„Hören Sie, welchen Trumpf er ausspielt?“ fragte ich den Desierto. „Er gibt das Spiel noch nicht verloren, glaubt vielmehr, es zu gewinnen. Wie gut also, daß ich unsere Gefährten während der Nacht von der Insel geholt habe! Hätte ich das nicht getan, so würden sie jetzt als Geiseln gebraucht, und wir müßten klein beigeben.“
„Hm!“ brummte der Alte. „Das wäre freilich eine verteufelte Geschichte geworden. Glücklicherweise können wir nun diesen Mbocovis die Augen darüber öffnen, daß ihre Berechnung eine falsche ist. Tun Sie das!“
Dieser Aufforderung kam ich nach, indem ich dem Parlamentär antwortete: „Ihr habt noch weiße Gefangene auf der Insel? Das habe ich nicht für möglich gehalten. Kommt einmal mit bis zum nahen Waldesrand! Ich muß euch etwas zeigen.“
Wir hatten gar nicht weit dorthin. Die Roten folgten und waren nicht wenig erschrocken, als sie da den Irren und die drei gefesselten Wächter erblickten.
„Seht euch nur genau unter uns um!“ forderte ich sie auf. „Von den Leuten, welche sich gestern abend auf der Insel befanden, ist nicht etwa nur einer entkommen, sondern sie sind alle frei. Wir haben sie mitsamt ihren Wächtern herübergeholt. Wie wollt ihr es anfangen, sie zu erschießen?“
Sie suchten, so weit ihre Blicke zu reichen vermochten, unsere Aufstellung ab und überzeugten sich, daß ich ihnen die Wahrheit gesagt hatte. Ihre soeben noch gezeigte Zuversicht verwandelte sich in Kleinmut, zumal der Alte die Aufforderung an sie richtete:
„Jetzt wißt ihr, woran ihr seid. Kehrt also in das Dorf zurück, um euch zu beraten. Ich verlange, daß ihr euch ergebt, und dann soll euch kein Leid geschehen, vielmehr bin ich bereit, eure gefangenen Krieger freizugeben. Ist aber eine halbe Stunde verflossen, ohne daß ihr euch bereit erklärt habt, so schießen wir alles, was
Weitere Kostenlose Bücher