35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
bemerkte sehr bald, daß dies das richtige war, denn schon nach kurzer Zeit vernahm ich fortgesetztes und durch regelmäßige Intervalle unterbrochenes Geräusch. Auch der Steuermann hörte es, denn er flüsterte mir zu:
„Da schläft einer; er schnarcht; gerade vor uns.“
„Ja. Ganz leise weiter!“
Wir krochen noch eine kurze Strecke fort; dann sahen wir zwei Bündel vor uns liegen – die beiden Chiriguanos, welche sich der nächtlichen, nicht unbeträchtlichen Kühle wegen fest und tief in ihre Decken gewickelt hatten.
„Machen Sie Ihre Riemen klar“, raunte ich dem Steuermann zu. „Ich den links und Sie den rechts. Es ist bequem. Wir schlingen die Riemen so schnell und fest um die Bündel, daß die guten Leute nicht einmal Zeit finden, die Nasen herauszustrecken. Also los!“
Die Arbeit war wirklich leicht. Erst eine Schlinge gezogen, dann die Bündel herumgedreht, zwei enge Windungen mit den Riemen, und wir waren fertig. Unter den Decken schnaufte und brummte es gewaltig; die Bündel bewegten sich und zuckten wie Schmetterlingspuppen, wenn man sie berührt, aber es war den Überraschten nicht möglich, sich freizumachen.
Ein scharfer Pfiff auf dem Finger war für unsere Gefährten das Zeichen, daß sie kommen sollten. In einer Viertelstunde waren sie da und stiegen von den Pferden, da wir hier den Anbruch des Tages erwarten mußten. Die Wächter ließen wir in ihren Hüllen stecken. Ersticken konnten sie nicht.
Erst als der Morgen zu grauen begann, befreiten wir sie aus ihrer zwar nicht schmerzlichen, aber doch unangenehmen Lage. Sie schauten uns nicht wenig erstaunt an. Als sie den Aymara bemerkten, brachen sie in Ausrufungen und Fragen aus, welche ich ebensowenig verstand wie die Antworten, welche er ihnen gab. Den Inhalt aber erriet ich aus der schließlichen Resignation, mit welcher sie die Augen geschlossen und sich wieder auf die Seite legten. Sie hatten erkannt, daß sie an ihrer Lage nichts bessern konnten, und ergaben sich in ihr Schicksal. Wir belästigten sie nicht mit Fragen, da wir von ihnen doch wohl nichts anderes erfahren konnten, als was wir bereits wußten.
Als es heller wurde, sahen wir, welch eine weite Aussicht man von dieser Halde aus hatte. Der Aymara zeigte uns zwei rückwärts liegende, kahle Höhen, über welche wir während der Nacht gekommen waren. Hätten wir sie am Tag passiert, so wären wir von den Wächtern ganz gewiß bemerkt worden.
Letztere waren mit Bogen und Pfeilen bewaffnet, deren Spitzen, wie wir nun sahen, nicht vergiftet waren. Wir brachen auf und fanden am anderen Fuß des Berges ihre Pferde, welche sie zurückgelassen hatten, weil es da ein hartes, stacheliges Gestrüpp abzuweiden gab.
Wir mußten geradeaus reiten; aber nach rechts schien auch ein passierbarer Pfad in die Berge zu gehen. Eben wollte ich mich erkundigen, wohin derselbe führte, als ich einen Reiter sah, welcher an der ersten Krümmung dieses Weges erschien und, als er uns erblickte, sein Pferd schnell wandte und wieder verschwand. Auch die anderen hatten ihn gesehen. Wer war er? Ein Indianer jedenfalls. Aber von welchem Stamm? War er allein oder der vorderste eines längeren Zuges?
Wir blieben halten und paßten scharf auf. Bald sahen wir zwei Köpfe, welche um die äußerste Krümmung lugten. Jetzt zeigte es sich, wie gut es für uns war, daß der Desierto uns die Tobas mitgegeben hatte. Der Anführer sagte, indem er vom Pferd stieg:
„Die Chiriguanos sind vor uns am See; die Männer, welche von rechts herkommen, können nur die Tobas sein, welche wir nicht gefunden haben. Ich werde gehen, um mit ihnen zu sprechen.“
„Aber wenn es doch keine Tobas sind?“ warnte ich ihn.
„So werde ich einen Schrei ausstoßen, und Sie kommen, mir beizustehen.“ Er ging. Die beiden Köpfe lugten noch immer um die Ecke. Als sie den einzelnen Mann auf sich zukommen sahen, traten diejenigen, denen sie angehörten, ohne Besorgnis hervor. Wir hörten den Toba ihnen zurufen, und sie antworteten. „Es sind Tobas!“ rief einer unserer roten Begleiter. „Es sind die erwarteten Freunde. Sie werden mit uns reiten und uns helfen. Nun ist alles gut!“
Er hatte recht. Der Toba verhandelte nur kurze Zeit mit den beiden Fremden und verschwand dann mit ihnen hinter der Krümmung. Bald darauf kehrte er zurück, und ihm folgte, einer hinter dem anderen, ein ziemlich langer Zug berittener Indianer, welche von unseren Roten mit lebhafter Freude begrüßt wurden. Sie zeigten sich gerne bereit, uns Hilfe zu
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