35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
deutlicher sah er, und endlich bemerkte ich, daß er unter den lebhaftesten Gestikulationen auf seine Roten einsprach und dabei oft nach uns herüber zeigte. Er wußte jetzt, wer wir waren.
Ich jagte den Gefährten nach, ritt ihnen eine ganze Strecke voraus, so daß ich die Roten mit dem bloßen Auge beobachten konnte. Der Sendador sah und erkannte mich. Hätte ich ihn töten wollen, so wäre mir das ein leichtes gewesen; meine Büchse hätte noch weiter als bis zu ihm gereicht. Er richtete sich hoch auf und rief mir mit möglichst lauter Stimme zu:
„Kommst du endlich, Hund? Diesesmal wirst du bellen, aber nicht beißen; dafür wird es dich dein Fell kosten!“
Er legte die Flinte an und drückte los. Die Kugel schlug ganz nahe bei mir in den Boden, so daß die vom Hochwasser zurückgelassene Salzkruste aufstäubte. Der Kerl hatte sich unterwegs ein sehr gutes Gewehr zu verschaffen gewußt.
„Señor, soll ich ihm mit einer Kugel antworten?“ fragte Pena erbost.
„Nein; ich will ihn lebendig haben. Wenn er eine Antwort bekommen sollte, würde ich sie ihm selbst geben.“
„Aber Ihre Berechnung ist falsch. Es zieht nur die Hälfte der Roten ab, der Höhe zu; die übrigen bleiben halten, doch wohl, um sich zu wehren.“
„Das scheint freilich so. Hm, da kommt mir ein Gedanke. Sollte auch der Sendador den Pfad kennen, welcher der Aymara mir vorhin gezeigt hat?“
„Ja, denn er ist doch wohl noch öfters dagewesen als der Aymara.“
„So kann ich mir seine scheinbare Sorglosigkeit nun ganz gut erklären. Er will uns auf diesem Pfad die Hälfte seiner Leute in den Rücken schicken.“
„Wenn er das beabsichtigt, so wird er sich wundern und gewaltig staunen, sobald er bemerkt, daß der Weg von uns bereits besetzt und er also überlistet worden ist.“
„Das wird sehr bald geschehen, denn die eine Abteilung seiner Leute verschwindet soeben in der Mündung des Saumpfades. In einigen Minuten werden wir die Schüsse unserer Tobas hören.“
Der Sendador hielt mit der zweiten Hälfte seiner Leute noch an dem Platz, an welchem er sich befunden hatte. Dann rückte er uns schnell eine kleine Strecke entgegen, um seinerseits nun auch den Weg zu erreichen. Es war also klar, daß, während die erste Abteilung bergauf eilte, um uns in den Rücken zu kommen, er sich mit der zweiten unten im Felsenweg, wo er Deckung fand, festsetzen wollte. Ich stieg vom Pferd, und die anderen folgten meinem Beispiel. Wir wollten die Tiere nicht der Gefahr, verwundet zu werden aussetzen; sie blieben unter der Aufsicht einiger Tobas zurück.
„Señor, jetzt müssen wir aber schießen“, bemerkte Pena eifrig, „sonst setzen sich die Schufte hinter den Felsen fest.“
„Mögen sie!“
„Was? Wie? Wenn sie dort einmal festsitzen, können wir sie nicht mehr vertreiben.“
„Gewiß doch!“
„Aber mit Blutverlust, während wir, wenn wir ihnen jetzt eine tüchtige Salve geben, ihnen einen so heillosen Respekt einjagen, daß sie sich vielleicht augenblicklich ergeben.“
„Das werden sie auch dann tun, wenn wir nicht vorher die Hälfte von ihnen erschießen.“
„Wieder diese berühmte Humanität! Sie werden jedenfalls abermals sehen, daß Sie nicht weit mit derselben kommen. Man sollte sich doch eigentlich nicht so sehr nach Ihrem Willen richten.“
„Das ist wahr und richtig!“ stimmte Gomarra zornig bei. „Jetzt haben wir die Kerle so prächtig vor uns, und wenn wir diesen Augenblick nicht benutzen, so verbergen sie sich hinter die Felsen und putzen uns nacheinander einzeln weg. Der Teufel hole die Humanität! Ich tue, was ich will; die Rache ist mein!“
Er legte sein Gewehr an, zielte auf den Sendador und drückte ab. Die Kugel ging fehl und traf einen Roten, dem sie durch den Kopf ging, wie wir später bemerkten. Das war so schnell geschehen, daß ich es nicht hatte verhindern können. Der Zorn wollte mich fast übermannen; ich nahm Gomarra beim Kragen, schüttelte ihn tüchtig ab und schrie ihn an:
„Mensch, wie können Sie das tun! Sehen Sie nicht, daß Sie einen Unschuldigen getroffen haben? Sie sind ein Mörder!“
„Pah!“ antwortete er. „Es ist doch nur ein Wilder!“
„Ein solcher ist ebensoviel wie Sie, vielleicht noch mehr wert!“
„Oho! Wollen Sie abermals mit mir anbinden?“
„Fällt mir nicht ein. Mit Menschen Ihresgleichen binde ich nichts an. Aber ich verbiete Ihnen, ohne meine Erlaubnis zu schießen!“
„Was haben Sie mir zu befehlen?“
„Was mir beliebt. Und wenn Ihnen das
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