35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
Läßt sich dann nichts über den Eigentümer entscheiden, so werden wir uns nach den Fundgesetzen derjenigen Provinz richten, zu welcher die betreffende Gegend gehört.“
„Also ich erhalte nichts – gar nichts?“
„Nein. Sie haben die Wahl zwischen dem Tod durch die Kugel und der Möglichkeit, Gomarra zu entkommen. In einer Stunde sagen Sie uns Ihre Antwort.“
„Ich wollte, Sie säßen hier an meiner Stelle, und ich befände mich in Ihrer Haut!“
„Das glaube ich, ist aber glücklicherweise nicht gut möglich.“
Da er an den Händen gebunden und sein rechter Arm schwer verwundet war, so brauchten wir seinerseits keine Gewalttätigkeit zu befürchten, gaben ihm aber doch zwei Tobas bei, welche kein Auge von ihm lassen sollten.
„Er kann nichts tun und auch nicht fliehen“, meinte der Bruder Jaguar. „Noch schärfer als auf ihn müssen wir auf Gomarra aufpassen.“
„Das ist wahr“, antwortete Pena, „denn er ist imstande und übt auf eigene Faust Rache, was ich ihm übrigens gar nicht verdenken kann.“
„Daran werde ich ihn auf gute Weise hindern“, bemerkte ich. „Ich nehme ihn mit hinab zum See.“
„Jetzt?“ fragte Gomarra.
„Ja. Auch Sie und der Bruder können mit, da es möglich ist, daß ich Ihrer Hilfe, Ihres Rates, Ihrer Augen und Ihres Nachdenkens bedarf. Gomarra soll uns nämlich die Stelle zeigen, an welcher die Flasche bisher vergraben gewesen ist. Vielleicht gelingt es uns, eine Spur zu entdecken, welche uns nach dem Ort führt, an welchem der Sendador sie von neuem versteckt hat.“
„Das wäre freilich gut; das wäre vortrefflich!“
„Natürlich. Sieht der Sendador, daß wir die Kipus haben, so wird er geneigter als jetzt sein, uns auch die Pläne auszuantworten. Übrigens müssen wir seine Taschen durchsuchen, denn es ist möglich, daß er diese Gegenstände bei sich hat.“ Die Durchsuchung wurde sofort vorgenommen, doch war sie erfolglos. Als wir alle seine Taschen vergeblich durchstöbert hatten, sagte er unter höhnischem Lachen:
„Wie klug die Señores sind! Nur ich allein bin der Dumme und schleppe alles mit mir herum! Nun ist mir nicht mehr bange um mich. Sie wollen und müssen die Kipus haben, und ich gebe sie nur her, wenn ich meine vollständige Freiheit erhalte.“
Der Mensch war in höchstem Grad zuversichtlich, doch wollte ich mich nicht über seine Dreistigkeit ärgern. Jedenfalls aber wäre es besser gewesen, wenn ich dies getan hätte, denn dann wäre mir nicht nur sein Hohn mehr aufgefallen, sondern ich hätte seinen Worten eine andere Bedeutung beigelegt und ihn nochmals durchsucht, und zwar genauer als vorher.
Als ich Gomarra aufforderte, uns hinab zum See zu begleiten, folgte er uns sichtlich widerwillig; er hatte also wohl vor, sich eigenmächtig an dem Sendador zu vergreifen.
Wir gingen den bereits beschriebenen Felsenweg hinab, und unten angekommen, bedeutete ich Gomarra, sich der betreffenden Stelle nicht ganz zu nähern, damit nicht etwa vorhandene Spuren verwischt würden. Als wir die Ausmündung des Weges erreichten, wendete er sich nach rechts, ging ein Stück an dem lotrecht aufsteigenden Felsen hin, blieb dann stehen, deutete vorwärts und sagte:
„Sehen Sie den Kriechkaktus aus der Erde ragen und sich an das Gestein schmiegen? Nur zwei kleine Schritte weiter war die Stelle. Darf ich hin?“
„Ja, aber ich gehe voran.“
Ich schritt nur Zoll um Zoll vorwärts, damit mir nicht das geringste, was als Hindeutung zu nehmen war, entgehen könne. Die Stelle, an welcher die Flasche in der Erde gesteckt hatte, war aufgewühlt worden; das sah ich deutlich. Und daneben hatte jemand im Sand gesessen, und zwar längerer Zeit; er hatte sich dabei oft von einer Seite nach der anderen und infolgedessen eine leicht wahrnehmbare flache und glatte Vertiefung ausgedreht. Im Halbkreis um diese Stelle war der Boden wie mit den Stiefelabsätzen aufgewühlt. Das war alles, was man jetzt noch zu sehen vermochte.
Nun galt es, zu erfahren, wohin der Sendador sich von hier aus gewendet hatte. Aber das war schwer, da zwischen jetzt und der Stunde, in welcher die Spuren entstanden waren, eine zu lange Zeit lag. Dazu führte unsere eigene Fährte, welche wir bei unserer Ankunft am See gemacht hatten, hier vorüber und bildete eine solche Zahl von Fußeindrücken, daß eine ältere Spur unmöglich zu erkennen war.
Ich blickte aufmerksam nach rechts und nach links. Vor uns lag der See, das Wasser nur zwanzig Schritte von uns entfernt. Er war mit einer
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