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35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

Titel: 35 - Sendador 02 - In den Kordilleren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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auch die beiden Achseln über die Kante hinausragten, und sah nun den Gegenstand, nach welchem die Leute von unten deuteten. Es war ein menschlicher Körper, welcher an der scheinbar glatten, nackten Steinwand klebte, als ob er dort angenagelt sei. Es war mir, als ob er sich bewege. Ich schob mich zurück, sprang auf und rief dem Steuermann zu:
    „Einer ist an dem Felsen hängengeblieben und lebt noch. Springen Sie hinab und bringen Sie die Leute herauf! Wir müssen ihn retten.“
    „Sind Sie des Teufels?“
    „Nein. Eilen Sie; rennen Sie! Es liegt Gefahr im Verzug.“
    Ich drehte ihn um und gab ihm einen tüchtigen Stoß in den breiten Rücken; auf diese Weise einmal in Bewegung gebracht, rannte der Riese wie ein galoppierender Schnelläufer von dannen und in den Hohlweg hinein.
    Ausgenommen die Wächter und die gefangenen Chiriguanos war er der einzige gewesen, welcher noch mit mir oben war. Die Hauptsache aber hatte ich vergessen. Darum schob ich mich wieder an den Rand des Felsens und rief denen, die da unten bei der Leiche standen, zu:
    „Alle herauf! Lassos, Riemen und Stricke von den Pferden mitbringen.“
    Ich sah sie nach den Pferden rennen, welche wir da unten zurückgelassen hatten. Mein Lasso war dreißig Ellen lang und so ausgezeichnet gearbeitet, daß er drei Menschen ohne Gefahr für dieselben tragen konnte; aber er war zu kurz.
    Aber die Chiriguanos hatten Riemen und Bolas, sogar einige Lassos, denen ich aber nicht trauen mochte, da ich sie nicht kannte. Bald kamen die Gefährten, und nun entspann sich ein hitziger Streit über das, was getan werden sollte.
    „Es ist der Sendador, der an der Wand hängengeblieben ist“, sagte Turnerstick. „Gomarra liegt unten, ist aber kaum zu erkennen. Warum ruft Ihr nach Riemen, Charley?“
    „Weil wir den Sendador heraufholen müssen“, antwortete ich.
    „Fällt keinem Menschen ein! Das fehlt noch!“ rief Pena aus.
    „Fällt sogar einem jeden ein, welcher wirklich Mensch ist!“ entgegnete ich. „Er muß herauf; er lebt noch.“
    „Unsinn! Wie kann der noch leben? Er ist an irgend etwas hängengeblieben. Das plötzliche Anhalten im Sturz hat ihn ganz gewiß getötet. Und wegen der Leiche eines solchen Menschen, die doch nur den Geiern verfallen ist, werden wir uns doch nicht etwa bemühen oder gar in Lebensgefahr begeben sollen!“
    „Señor Pena hat recht“, meinte der Yerbatero. „Lassen Sie doch hängen, was da hängt! Ich war einst der Freund des Sendador; aber nachdem ich ihn jetzt kennengelernt habe, möchte ich keine Hand für ihn rühren, selbst wenn er noch lebte.“
    „Und da nennen Sie sich einen Christen?“
    „Ja, der bin ich, und zwar ein sehr guter! Aber die Seele dieses dreifachen Mörders mag zum Teufel fahren!“
    „Señor Monteso, Sie sind kein Christ, wirklich nicht, und ich möchte fast bedauern, Sie lieb gehabt zu haben. Mögt ihr alle denken, was und wie ihr wollt, ich kenne meine Pflicht. Verhaltet euch möglichst still, damit ich hören kann, und haltet meine Füße fest!“
    Ich nahm das Fernrohr in die Hand und kroch wieder bis zum Felsenrand vor. Ich schätzte die Entfernung zwischen mir und dem Verunglückten auf siebzig Fuß. Als ich ihn durch das Fernrohr betrachtete, sah ich, daß er mit dem Rücken an der Wand hing. Es mußte da einen Spalt im Felsen geben, aus welchem ein spitzer Gegenstand ragte, der den Abstürzenden festgehalten hatte. Ich sah ganz deutlich, daß dieser letztere die Beine bewegte, und glaubte auch, wimmernde Laute zu hören.
    Es war gar nicht ungefährlich, sich so weit über die Kante vorzuschieben, daß man hinabzublicken vermochte; darum hatte ich mich an den Füßen festhalten lassen.
    Nun richtete ich mich wieder auf und gebot, alle vorhandenen Lassos zusammenzubinden.
    „Lebt er denn noch?“ fragte der Bruder.
    „Ja, er bewegt sich.“
    „Gott erbarme sich seiner! Wir können ihm nicht helfen.“
    „Wir können es, wenn wir wollen.“
    „Meinen Sie, daß sich einer finden läßt, der bereit ist, das Wagnis zu unternehmen?“
    „Sicher.“
    „Wenn mein bester Freund da unten hinge“, sagte Pena, „ich würde mich hüten, mich hinabzulassen, viel weniger eines solchen Schurken wegen.“
    „Aber bedenken Sie, Pena, lebendig da am Felsen zu hängen, mit gebundenen Händen, zerschossenem Arm und vielleicht einen Baum- oder Aststumpf im Leib! Welch ein gräßlicher Tod!“ sagte ich.
    „Er hat ihn verdient!“
    „Mag sein oder auch nicht; aber ich darf ihn nicht eines solchen

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