35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
lagen, welche es uns unmöglich machten, uns lautlos hinabzuschleichen und einen Blick in das Gewölbe zu werfen. Die Steinchen hätten sich losgelöst und uns durch ihren Fall verraten. Da uns hier ein direkter Einblick nicht möglich war, wandten wir uns erst zum einen und dann zu dem anderen Luftloch, welche oben zu beiden Seiten lagen. Da sahen wir unten die Indianer sitzen. Aber unser Gesichtskreis war so eng, daß ich nicht mehr als acht Personen zählen konnte.
„Es sind natürlich weit, weit mehr vorhanden“, meinte Pena. „Wenn diese Leute einen Überfall planen, so ziehen sie zahlreich aus, denn Tapferkeit ist ihre Tugend nicht. Was tun wir jetzt?“
„Sie eilen zurück und holen die Kameraden. Dieselben mögen aber vorher die Pferde an einem Ort anbinden, an welchem der Sendador sie nicht findet.“
„Und was tun Sie indessen?“
„Ich bewache den Eingang.“
„Herr, das ist gefährlich!“
„Ganz und gar nicht. Die Kerle stecken ja alle in der Falle!“
„Aber wenn einer herauskommt?“
„So nehme ich ihn bei der Gurgel oder gebe ihm einen Klaps auf die Nase, daß er hinunterrutscht.“
„Dann kommen die andern alle!“
„Das werden sie bleiben lassen. Es können höchstens zwei Personen nebeneinander gehen; also halte ich alle mit meinen Revolvern in Schach.“
„Gut! Wir werden sehr bald kommen.“
„Allzu vorsichtig brauchen Sie nicht zu sein. Es ist niemand da, der Ihnen gefährlich werden kann; also können Sie ganz offen und unbesorgt heranmarschieren.“
Er ging, und ich ließ mich neben dem Eingang nieder, fest entschlossen, keinen Menschen herauszulassen. Von unten herauf drang unterdrücktes Stimmengewirr; einzelne Stimmen oder gar Worte waren nicht zu unterscheiden. Übrigens hätte mir das gar nichts nützen können, da ich die Sprache der Aripones nicht verstand. So hatte ich wohl über zehn Minuten gesessen, als ich das Geräusch rollender Steine vernahm. Ich beugte mich vor und sah zur Treppe hinab. Da kam einer langsam heraufgestiegen. Er befand sich noch im Kreis des Feuerscheins, und so konnte ich ihn erkennen. Es war Gomez. Er trug keine Waffen als nur sein Messer bei sich. Ich stand auf und trat ein wenig zur Seite. Dort stand ein Baum, unter dessen Krone der hellere Ton meines Lederanzugs nicht leicht zu erkennen war.
Jetzt trat der Mann hervor. Er sah sich um und lauschte in die Nacht hinaus. Schon drehte er sich um, um wieder hinabzusteigen; da sagte ich in halbem Ton, nur so, daß er es gerade zu hören vermochte:
„Gomez.“
Schnell wendete er sich zurück.
„Wer ist da?“ fragte er.
„Der Sendador.“
„Schon? Das ist schnell gegangen. Wo sind die Weiber und Kinder?“
„Unten bei den Wagen.“
„Das ist ja ganz –“
Er hielt inne. Während der kurzen Fragen und Antworten war er näher gekommen. Jetzt befand er sich gerade vor mir und mochte nun doch bemerken, daß der, bei dem er stand, nicht der Sendador sein könne. Er beugte den Kopf vor, um womöglich mein Gesicht zu erkennen, und sagte:
„Das ist ja nicht – wer ist –?“
Er wollte sich zur Flucht wenden. Da aber hatte ich ihn mit der Rechten bei der Kehle, so daß er nicht schreien konnte, und mit der Linken zog ich das Messer aus seinem Gürtel, damit er sich desselben nicht bedienen könne. Gegen mich war er von der Schwäche eines Kindes. Er brach sofort in die Knie. Ich setzte ihm das Messer auf die Brust und drohte:
„Ein lautes Wort, so steche ich Sie nieder. Werden Sie schweigen?“
„Jaaaa – – –“ gurgelte er, als ich ihm zu diesem Zweck ein wenig Luft in die Kehle ließ.
„Gut, so will ich Sie wenigstens atmen lassen. Aber ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich Sie beim ersten unerlaubten Laut ersteche! Legen Sie die Hände auf den Rücken, damit ich Sie binden kann!“
Ich nahm die Hand von seinem Hals, hielt ihn aber mit der einen Hand fest, während ich mit der andern einige Riemen aus der Tasche zog. Dabei mußte ich mich bücken. Mein Gesicht kam in die Nähe des seinigen, und nun erst erkannte er mich.
„Sie sind es, Sie, Señor!“ sagte er.
„Wer sonst? Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß ich kommen werde?“
„Ah! Sie, Sie! Nun ist alles verloren!“
„Was verstehen Sie unter diesem alles?“
„Etwas, was Sie nicht zu wissen brauchen.“
„Ganz richtig! Ich brauche es nicht zu wissen, weil ich es schon weiß.“
„Sie? Unmöglich!“
Während dieser Worte band ich ihm die Hände auf den Rücken und die Füße zusammen. Nun lag
Weitere Kostenlose Bücher