35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
befürchten müßten. Ich glaube, daß sie in den Ruinen, vielleicht gar in dem Keller stecken und ganz ruhig warten, bis der Sendador kommt, um sie abzuholen.“
„Haben Sie damals das Kellergewölbe genau untersucht?“
„Natürlich. Man kann ja niemals wissen, in welcher Weise die Kenntnis eines solchen Ortes einem von Nutzen sein kann.“
„Ist es groß?“
„Wenn sie eng stehen, haben zweihundert Personen Platz.“
„Sind mehrere Ein- oder Ausgänge da?“
„Das war es, was ich vor allen Dingen suchte; aber ich habe trotz aller Mühe nur den einen Eingang gefunden. Es führten früher Stufen hinab, welche aber jetzt nur noch teilweise vorhanden sind. Der Eingang gleicht also nicht einer Treppe, sondern einem Stollen, welcher steil hinunter führt.“
„Ich wünschte, die Roten befänden sich da unten. In diesem Fall wäre es leicht, uns ihrer ohne alle Gefahr zu versichern, während im andern Fall ein Kampf nicht zu vermeiden ist. Und dieser würde wegen der Giftpfeile für uns höchst gefährlich sein. Jetzt läßt sich freilich gar nichts sagen; wir müssen sehen, wie wir die Sache finden.“
Das trockene Flußbett glich wirklich einer leidlich bequemen Straße, auf welcher wir uns wenig über eine Stunde aufwärts bewegten. Als Pena dann erklärte, daß der Hügel höchstens fünfhundert Schritte vor uns liege, hielten wir an. Die andern mußten sich unter die Bäume zurückziehen, um still auf uns zu warten, während ich mit Pena rekognoszieren ging. Wir gaben uns Mühe, kein Geräusch zu verursachen. Das fiel nicht schwer, da der Boden weder Steine noch Sand besaß. Wir hielten uns am Rand unter den Bäumen.
Die Nacht war still. Kein Laut war zu hören. Und doch war uns nicht wohl zu Mute. Ein Giftpfeil, aus einem Rohr geblasen, verursacht auch kein Geräusch und ist doch weit gefährlicher als eine Büchsenkugel. Ein solcher Pfeil konnte jeden Augenblick uns treffen, falls die Indianer Wachen ausgestellt hatten. Glücklicherweise war das nicht der Fall. Wir erreichten den Fuß des Hügels und huschten nun unter den Bäumen nach oben.
Das war freilich nicht allzu leicht. Es gab da allerlei Schlinggewächse, welche uns zum Kriechen zwangen, denn die gewaltsame Beseitigung derselben hätte Geräusche verursacht. Als wir endlich oben ankamen, bemerkte ich, so gut das Halbdunkel und die Bäume es erkennen ließen, daß die Spitze des Hügels eine ziemlich große Platte bildete. Eingefallenes Mauerwerk gab es gleich da, wo wir standen. Doch mußten wir sein Vorhandensein mehr erraten, als daß wir es sahen, denn es war dicht mit Pflanzen überrankt.
„Wo ist der Eingang in die Ruine?“ fragte ich Pena leise.
„Gleich rechts da in der Nähe.“
„Sind vielleicht verschiedene Höfe da?“
„Wahrscheinlich. Offen ist aber nur der vordere, während hinten alles einen wüsten, unzugänglichen Trümmerhaufen bildet.“
„Und gelangt man in den Keller aus diesem vorderen Hof?“
„Ja.“
„So kommen Sie! Aber vorsichtig!“
Er ergriff meine Hand und zog mich weiter. Bald erreichten wir die Stelle, an welcher sich das große, breite Tor befunden hatte, wie leicht zu erkennen war. Es galt da, vorsichtig zu sein; denn wenn überhaupt Wachen aufgestellt waren, so stand hier ganz sicher eine. Aber die Roten schienen ihrer Sache sehr gewiß zu sein, denn dieser Haupteingang war frei.
Als wir ihn passiert hatten, befanden wir uns auf einem rund von niedrigen Mauertrümmern eingefaßten Viereck. Das war der Hof. Uns gerade gegenüber sah ich etwas wie den Schein eines verdeckten Lichtes. Zugleich drang uns ein brenzliger Geruch entgegen.
„Dort geht es in den Keller hinab“, sagte Pena. „Man hat da unten ein Feuer gemacht.“
„Das gibt Rauch. Da müssen die Männer ja ersticken!“
„O nein. Ich habe im Gewölbe zwei Löcher bemerkt, rechts und links hoch oben an den Seiten. Da kann der Rauch abziehen.“
„Sind diese Löcher etwa groß genug, daß ein Mensch hindurchkriechen kann?“
„O nein. Übrigens liegen die beiden Luftlöcher oben so frei, daß wir durch sie hinabblicken können.“
„Das ist sehr gut. Auf diese Weise können wir beobachten und die Feinde wohl auch zählen. Vorwärts jetzt!“
Wir schlichen uns nach dem Eingang. Auch da stand niemand. Ja, unten brannte ein kleines Feuer, und jetzt bemerkte ich den Duft bratenden Fleisches. Der Schein drang eine kleine Strecke in den Treppengang herein, und so sah ich, daß da allerlei Trümmer der früheren Stufen
Weitere Kostenlose Bücher