35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
er regungslos vor mir auf der Erde. Ich zog ihn seitwärts bis an die Stelle, von welcher aus ich den Eingang gut vor Augen hatte, und setzte mich bei ihm nieder.
„Señor, was haben Sie mit mir vor? Was werden Sie mir tun?“ fragte er.
„Das wird ganz auf Ihr Verhalten ankommen.“
„Sind Sie allein da?“
„Nein. Wenn Sie so große Sehnsucht nach meinen Gefährten und Ihren früheren Bekannten haben, so kann ich Ihnen zu Ihrer Beruhigung mitteilen, daß sie sich Ihnen baldigst vorstellen werden. Auf unsere Freundschaft dürfen Sie freilich nicht mehr zählen.“
„Was habe ich denn getan?“
„Erstens sind Sie uns ausgerissen, und zweitens –“
„Señor, das dürfen Sie doch nicht ausreißen nennen! Ich mußte!“
„Warum?“
„Das ist mein Geheimnis.“
„Aber ein Geheimnis, welches ich auch kenne. Ich habe Ihnen in Palmar gesagt, daß ich Sie hindern werde, das zu tun, was Sie vorhaben.“
„Señor, Sie können ja gar nicht wissen, was wir beabsichtigen!“
„Ich weiß es nur zu gut. Sie haben die zwanzig Männer auf die Krokodilinsel gelockt, und hier wollen Sie nun die Frauen und Kinder holen.“
„Cielo! Wer sagt das?“
„Sie selbst haben es zu dem Sendador gesagt.“
„Das ist nicht wahr.“
„Leugnen Sie doch nicht, Gomez! Die Lüge hilft Ihnen nichts. Sie sind belauscht worden. Man hat jedes Ihrer Worte genau vernommen. Wir sind Ihnen natürlich schnell von Palmar aus gefolgt. Sie haben das auch gar nicht anders erwartet, denn Sie sagten heute zu dem Sendador, daß wir jeden Augenblick eintreffen könnten.“
„Auch das wissen Sie?“
„Alles, alles weiß ich. Wir sind auf der Krokodilinsel gewesen und haben die zwanzig Männer befreit. Das Floß lag noch am Ufer; eine große Dummheit von dem Sendador! Nun sind wir alle da, um die zweite Hälfte des geplanten Streiches zu verhüten.“
„Das ist – das ist – das kann ich doch nicht glauben!“ stammelte er.
„Sie werden es glauben, denn – hören Sie! Jetzt kommen meine Leute. Sie können sich also überzeugen, daß ich die Wahrheit sage.“
Ich hörte die Schritte vieler Nahenden und erhob mich vom Boden, um von ihnen gesehen zu werden. Es waren die Gefährten. Sie kamen herbei. Als sie hörten, wen ich da vor mir liegen hatte, verlangten sie, daß Gomez sofort ausgepeitscht werde. Ich brachte sie aber auf bessere Gedanken, indem ich ihnen vorstellte, daß er als Indianer gehandelt habe, welcher die Weißen als Eindringlinge betrachte. Die von der Krokodilinsel befreiten Leute waren zwar nicht geneigt, Milde walten zu lassen, doch gab ich mir Mühe, ihnen zu erklären, daß es für sie besser sei, zu verzeihen und sich die Aripones zur Dankbarkeit zu verpflichten, als durch Strenge die Rache des ganzen Stammes auf sich zu laden.
„Aber was soll denn da mit ihnen, die wir doch jetzt als unsere Gefangenen betrachten müssen, geschehen?“ fragte einer.
„Das werden Sie gleich hören“, antwortete ich. „Ich meine, daß Sie uns Ihr Leben zu verdanken haben, und ich fordere von Ihnen die Erlaubnis, mit den Aripones Frieden schließen zu dürfen. Sie werden mir das nicht versagen, da es nicht in meinem, sondern vielmehr in Ihrem Interesse liegt.“
Nach einer kurzen, unter sich gepflogenen Beratung stimmten sie mir bei. Darum bückte ich mich zu Gomez nieder, nahm ihm die Riemen ab, richtete ihn auf und sagte zu ihm, der nun inmitten unseres Kreises stand:
„Merken Sie sich, was Sie jetzt hören! Es soll Ihnen und keinem der Ihrigen ein Leid geschehen; aber ich stelle einige Bedingungen, nach denen Sie sich zu richten haben werden.“
Er holte tief Atem, froh, in so glimpflicher Weise behandelt zu werden, und fragte mich:
„Welches sind diese Bedingungen?“
„Sie begeben sich jetzt in den Keller zu Ihren Leuten. Wie viele sind es?“
„Sechzig.“
„Sie sagen Ihnen, daß dreißig gut bewaffnete Leute hier stehen und auf einen jeden schießen werden, der sich ohne unsere Erlaubnis gestattet, den Keller zu verlassen. Morgen früh könnt Ihr dann unbehelligt abziehen, nachdem Ihr vorher mit denen, welche Ihr töten wolltet, Frieden geschlossen habt. Wollen Sie das Ihren Leuten vorstellen und sie dazu bringen, diese Bedingungen zu erfüllen?“
„Ja. Ich verlange aber, daß Sie Wort halten!“
„Ich lüge nicht. Also daß keiner es wagt, den Keller zu verlassen. Habe ich Ihnen etwas zu sagen, so werde ich Ihren Namen laut in den Eingang rufen. Jetzt gehen Sie!“
Er entfernte sich und
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