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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verständigen“, tröstete ihn der Doktor. „Mit Pantomimen kommt man durch die ganze Welt. Diese Erfahrung, lateinisch Peritia geheißen, habe ich schon oft gemacht.“
    „Aber wenn ick nun die richtige Pantomime am falschen Ort oder die falsche Pantomime am richtigen Ort anwende?“
    „Du scheinst in Beziehung auf Zeichen und Gestikulationen freilich noch ziemlich unerfahren zu sein. Achte nur auf mich, dann braucht dieser gute Mann nicht unsere und wir brauchen nicht seine Sprache zu verstehen.“
    Als der Rote sah, daß die beiden ihre Pferde angebunden hatten, winkte er ihnen, ihm zu folgen, und schritt in das Schilf hinein, wo, wie man deutlich sah, vor ihm schon andere gegangen waren. Dabei deutete er nach rechts und links in die Schilfdichtung und sagte: „Precaución – Crocodilos – Vorsicht – Krokodile!“
    „Wat? Hier sollen Krokodile sein?“ meinte Fritze. „Da müßte man doch wat von sie sehen. Mir soll er nicht bange machen.“
    Aber kaum hatte er diese Worte gesagt, so sprang er mit einem Schreckensruf zur Seite, denn ganz nahe neben ihm kam der Kopf eines solchen Tieres aus dem Schilf zum Vorschein. Es glotzte ihn aus den kleinen Augen an und schlug die offenen Kiefer zusammen, daß es einen Ton gab, als ob zwei Bretter zusammengeklappt wurden.
    „Er hat wirklich recht“, fuhr er fort, als er sich in Sicherheit befand. „Wenn wir nur nicht für die vorsintflutlichen Knochen unsere eijenen herjeben müssen!“
    „Fürchte dich nicht“, meinte sein Herr, welcher, sobald es sich sein Lieblingswerk handelte, allerdings keine Furcht kannte. „Diese Tiere sind viel zu träge, als daß sie uns belästigen könnten. Sie riechen schlecht; das ist das einzige an ihnen, was unangenehm ist.“
    „Na, der Rachen mit die Zähne ist auch nicht anjenehm. Ick meinesteils will so 'ne Kreatur lieber riechen, als von ihr jefressen werden.“
    Sie gelangten durch das Schilf auf eine Art spitze Halbinsel, welche in das Wasser hineinragte. Sie schien aus festem Land zu bestehen, denn sie trug Bäume und Sträucher und bildete ein scharf geschnittenes und nicht sumpfiges Ufer. Unter den Bäumen war die Erde an einigen Stellen aufgewühlt, und da lagen sie denn, die der kleine Gelehrte suchte – Knochen von allen Gestalten und Größen, teils ganz, teils zerbrochen, teilweise noch hart und fest, teilweise auch schon vom Moder angegriffen.
    „Heureka!“ schrie der Kleine auf, indem er sich förmlich auf die Knochen stürzte. „Da sind sie; da liegen sie! Fritze, komm und sieh die Zeugen und Überreste einer Periode, in welcher an dich noch nicht zu denken war!“
    „Dat finde ick sehr vernünftig“, antwortete der Stralauer gelassen; „denn wenn damals an mir zu denken jewesen wäre, so könnten Sie mir heutigentags nun auch einsammeln und als verflossene Gigantochelonia aus die einzelnen Gliedmaßen ins Janze zusammensetzen.“
    „Sei kein Tor und schwätze nicht solchen Unsinn!“ sagte Morgenstern, indem er ganz entzückt einen Knochen nach dem anderen aufnahm, um ihn zu betrachten und zu betasten. „Hier öffnet sich ein großartiger Blick auf die Entwicklungsstufen der bis jetzt bestandenen und noch bestehenden Daseinsformen. Schau einmal diesen Schädelteil! Ich wette, es ist das Os occipitis eines Megatheriums. Wir werden alle diese Knochen einpacken und mitnehmen, damit ich sie, wenn wir am ‚klaren Bach‘ angekommen sind, noch heute untersuchen und bestimmen kann. Lieber Freund, hat man diese Knochen hier an dieser Stelle gefunden, oder sind sie von einem anderen Ort hergeschafft worden?“
    Diese Frage war an den Indianer gerichtet, welcher aber nicht mehr zu sehen war; dafür hörte man seine rufende Stimme.
    „Er will uns bei sich haben. Kommen Sie!“ meinte Fritze.
    „Nein, noch nicht“, antwortete sein Herr. „Ich habe hier noch nicht alles gesehen.“
    „So werde ick mal zu ihm jehen, um zu sehen, wat er zu rufen hat. Verstehen kann man ihn ja nicht.“
    Er entfernte sich in der Richtung, aus welcher die Rufe des Camba zu hören waren. Der Doktor sah sich gar nicht nach ihm um. Er war mit seinen Schätzen so beschäftigt, daß er für gar nichts anderes Augen hatte. Er wühlte in den Überresten und sortierte herüber und hinüber, bis er hinter sich die Stimme Fritzens hörte: „Lassen Sie die Knöchelchens hier liejen! Da drüben jibt's eine janz andere Sorte. Dat sind die richtigen Eisbeine mit Meerrettich und Sauerkohl. Da habe ick eine Probe mitjebracht; schauen

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