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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hoch. Wie bereits erwähnt, hielt der Zug am Tor an, und der Häuptling ritt ein Stück in das Tal hinein, um zu untersuchen, ob dasselbe leer sei. Seine Untersuchung war eine höchst oberflächliche. Da er keinen Menschen sah, so nahm er an, daß überhaupt keiner vorhanden sei, und kehrte zurück, um dies zu melden. Dann setzte er sich an die Spitze seiner Roten, um sie in den Kessel des ausgetrockneten Sees einzuführen.
    Sie folgten ihm bis an den kleinen See, welcher in der Mitte lag, und breiteten sich an dem Ufer desselben aus. Keiner von ihnen ahnte, daß er sich in einer Falle befand, aus welcher es kein Entrinnen gab. Als der letzte der Roten durch den Eingang geschritten war, folgten die Reiter.
    „Der Gambusino will den letzten machen“, flüsterte Fritze dem Doktor zu. „Schade, daß wir zu hoch hier liejen! Ick möchte ihm jar zu jerne einen Klapps auf die Nase jeben!“
    Er schwang seinen Knüppel, und Morgenstern machte mit dem seinigen auch eine Bewegung, als ob er zuschlagen wolle. Der Busch, hinter welchem sie lagen, hatte seine Wurzeln jahrelang tief in den Boden eingeschlagen; davon und durch den Einfluß des Wetters war der Boden rissig und brüchig geworden. Gerade unter ihnen hielt der Gambusino auf seinem Pferd; jetzt drängte sich dasselbe näher an den Felsen; der Reiter war nicht mehr zu sehen; darum schob sich Morgenstern neugierig noch weiter vor, wobei er leise fragte: „Ob er schon durch den Eingang ist?“
    Die Antwort auf diese Frage sollte ihm ganz anders werden, als er gedacht hatte und ihm lieb sein konnte. Er hatte sich nämlich zu weit vorgeschoben und dem lockeren Boden zu viel Vertrauen geschenkt; dieser letztere kam ins Rutschen, und zwar so schnell, daß von einem rechtzeitigen Zurückweichen gar keine Rede mehr sein konnte; der Doktor rutschte mit.
    „Halt, halt! Um Jottes willen!“ rief Fritze vor Angst so laut, daß man es weithin hörte. „Wohin soll die Reise jehen? Doch nicht etwa hinunter! Dat jebe ick nicht zu!“
    Er faßte seinen Herrn an den beiden Beinen, um ihn zu halten; da aber die Erde nun auch unter ihm nachgab, kam auch er ins Rutschen, und so glitten, rollten und kugelten sie, ohne daß sie losließen, bald hier an einen Busch bald dort an einen Baumstamm stoßend, den Felsen, welcher auf dieser Seite glücklicherweise nicht steil war, hinab und blieben gerade vor dem Pferde des Gambusino liegen.
    Dieser war mit Antonio Perillo und dem Kapitän Pellejo noch allein zurück, da die anderen Weißen schon innerhalb des Eingangs verschwunden waren. Er hörte den Angstruf des Dieners über sich, blickte empor und sah die beiden verunglückten Lauscher von oben heruntergeflogen kommen. Sie blieben, wie bereits gesagt, gerade vor ihm liegen und vergaßen infolge der kräftigen Stöße, welche sie erlitten hatten, für kurze Zeit das Aufstehen.
    „Wer ist denn das?“ fragte er erstaunt. „Wo kommen die her? In ganz roter Kleidung! Die sollte ich doch kennen!“
    „Que sorpresa!“ antwortete Antonio Perillo. „Ich will des Teufels sein, wenn das nicht unsere Gefangenen sind, welche wir gestern vergeblich aufgehängt haben.“
    „Du hast recht; sie sind es. Sonderbare Menschen! Gestern verschwanden sie, ohne eine Spur zu hinterlassen, und heute fallen sie gerade vom Himmel herunter. Heda, ihr Halunken, seid ihr tot oder lebt ihr noch?“
    Er stieß sie vom Pferd herab mit seinem Gewehrkolben so derb an, daß sie aus ihrer augenblicklichen Betäubung erwachten. Fritze nahm sich am schnellsten zusammen; er befühlte seine Glieder und hob, als er dieselben unzerbrochen fand, seinen Herrn auf.
    „Wie ist's abgelaufen?“ fragte er ihn, die Todfeinde gar nicht beachtend. „Hat Ihr Körper jut zusammenjehalten, oder sind ein paar Jelenke zerrissen?“
    Der Doktor befühlte sich auch und antwortete dann: „Es scheint nichts zerbrochen zu sein, aber der Kopf brummt mir wie eine Pauke, lateinisch Tympanum genannt.“
    „Dat jibt sich wieder. Wie sind Sie nur ins Rollen jekommen?“
    „Ganz so wie du, der du doch auch –“
    „Schweigt!“ fuhr sie der Gambusino an. „Jetzt habe nur ich mit euch zu sprechen, und zwar ein sehr ernstes Wort. Wo seid ihr denn gestern abend hingekommen?“
    „Hierher“, antwortete Fritze.
    „Das sehe ich! Aber wer hat euch losgebunden?“
    „Niemand.“
    „Lüge nicht! Von selbst konntet ihr nicht loskommen.“
    „O doch, sehr leicht.“
    „Auf welche Weise?“
    „Wir haben uns losgebissen.“
    „Mensch, wenn du so

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