36 - Das Vermächtnis des Inka
Sättel fehlten. Ist das nicht auffällig zu nennen?“
„Nein, denn Perillo und der Gambusino haben sie ihnen jedenfalls abgeschnallt und dann mitgenommen, um sie zu brauchen, sobald sie zu neuen Pferden kommen werden.“
„Dann hätten sie doch auch das Zaumzeug mitgenommen.“
„War dies denn noch da?“
„Ja, und zwar bei beiden Pferden.“
„Das ist freilich unbegreiflich, denn wer den Sattel braucht, der braucht den Zaum noch notwendiger; ja, man kann ohne Sattel eher reiten als ohne Zügel.“
„Ich finde es nicht unbegreiflich, sondern leicht erklärlich. Die Pferde, welche wir erbeuteten, trugen die Zäume und Zügel noch. Es fehlen zwei von ihnen. Der Gambusino hat sie geholt, und weil sie Zäume hatten, so brauchte er dann den erschossenen Pferden nur die Sättel abzunehmen.“
„Wie aber kann er in das Tal gekommen sein, da der Eingang desselben von zweien unserer Krieger besetzt war!“
„Diese Wächter haben ihren Posten verlassen gehabt! Erkundige dich nur, denn ich habe dir etwas noch Wichtigeres zu sagen. Als ich nach der Leiche ritt, sah ich verschiedene Spuren im Gras. Ich fand die Fährte, welche die beiden Flüchtlinge und ihre Verfolger zurückgelassen hatten. Ich fand auch die Spur des Vater Jaguar und des alten Anciano, welche sie bei ihrer Rückkehr gemacht hatten; sie führte nahe dem Wald hin. Dann aber sah ich die Fährte zweier Fußgänger, welche da begann, wo sich die Flüchtlinge versteckt hatten, eine Strecke hinaus in den Campo führte und dann nach dem Tal zeigte. Hierauf gab es noch zwei Pferdespuren, welche aus dem Tal kamen und, von den anderen Fährten etwas entfernt, nach der Stelle führten, wo die beiden toten Pferde lagen. Dort war angehalten und abgestiegen worden, worauf diese Doppelspur dann immer am Wald entlang nach Norden weiter lief. Diese Reiter haben den Wald umreiten wollen. Was sagst du dazu?“
Jetzt machte der Häuptling ein sehr bedenkliches Gesicht. Er schüttelte den Kopf, sann eine Weile nach und meinte dann: „Wenn das so ist, dann ist der Gambusino mit Antonio Perillo im Tal gewesen, um dort die beiden Pferde zu holen.“
„Das sage ich auch. Und noch eins behaupte ich, nämlich daß der Vater Jaguar in großer Gefahr schwebt, denn der Gambusino wird ihm nun zuvorkommen. Wann ist der Vater Jaguar fort?“
„Heute früh.“
„So hat der Gambusino einen Vorsprung von drei Tagen, ein Vorsprung, welcher gar nicht eingeholt werden kann.“
„Vielleicht doch, denn der Vater Jaguar ist nach Tucuman, um von dort aus mit der Diligence zu fahren, während der Gambusino jedenfalls durch die Wälder und Wüsten nach Salta ist.“
„O, auch er ist klug. Wie nun, wenn er auch nach Tucuman geritten ist?“
„In diesem Fall schwebt der Vater Jaguar freilich in größter Gefahr. Ich muß ihm einen Boten nachsenden. Vorher aber will ich mich erkundigen, wer die Posten gewesen sind, welche am Taleingang gestanden haben.“
Er stieg auf sein Pferd, um schnell davonzureiten; seine roten Begleiter taten dasselbe, und Morgenstern folgte mit Fritze diesem Beispiel. Man mußte durch den Wald langsam reiten; aber dann, als er zu Ende war, wurden die Pferde angetrieben, daß sie wie Pfeile über die Ebene flogen. Wenn dem Vater Jaguar ein Bote nachgeschickt werden sollte, so hatte man keine Zeit zu verlieren.
Der Häuptling sprengte mit seinen Indianern voran; die beiden Deutschen folgten hinterdrein. Das, was sie gehört hatten, ging ihnen im Kopf herum. Während sie eng nebeneinander dahinritten, sagte Morgenstern: „Fritze, wie lange meinst du wohl, daß mein Megatherium unter dem Schutzdach stehen kann, bevor es Schaden leidet?“
„Jedenfalls monate-, vielleicht auch sogar jahrelang.“
„Wirklich?“
„Janz jewiß! Warum fragen Sie?“
„Weil ich einen Gedanken habe, den ich nicht wieder loswerden kann.“
„Welchen?“
„Den Gedanken an die Gelegenheit einer tapferen Tat. Weißt du, wir sprachen davon!“
„Ick entsinne mir. Sobald sich die Jelejenheit zu einer solchen Tat zeigt, wollten wir sie ausführen, um unsere Ehre wiederherzustellen.“
„Nun, die Gelegenheit ist da.“
„Welche?“
„Der Vater Jaguar befindet sich in einer großen Gefahr, lateinisch Periculum genannt.“
„Dat habe ick jehört, aber wat haben wir damit zu tun?“
Der schlaue Fritze zeigte sich jetzt so schwerhörig, weil er sich nicht wieder sagen lassen wollte, daß er seinen Herrn verleitet habe.
„Das kannst du mich fragen!“ wunderte sich
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