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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ebenso gehandelt. Mein Bruder war Gambusino oder Prospektor, wie die Goldsucher in den Vereinigten Staaten genannt werden. Er hatte einen ungewöhnlich reichen Fund gemacht. Da kam dieser Gambusino, ermordete ihn auf eine entsetzliche, unmenschliche Weise und verschwand mit dem Gold. Das hat mein dunkles Haar gebleicht. Ich folgte der Fährte dieses Menschen, welche nach Argentinien führte, konnte ihn aber nicht zu sehen bekommen. Erst jüngst ist er mir in die Arme gelaufen, ich habe ihn und er hat mich erkannt, und nun sind die Stunden eines von uns beiden gezählt, entweder die meinigen oder die seinigen.“
    „Die seinigen, die seinigen!“ rief es im Kreis, und die Fäuste fielen dröhnend auf die Tische nieder.
    „Still!“ gebot der Vater Jaguar. „Keinen Lärm! Niemand braucht zu hören, wovon wir reden. Er hat das Gold meines Bruders verpraßt und sucht nun nach neuen Schätzen, die ihm nicht gehören. Er soll das, was er findet, aus meiner Hand bekommen!“
    Jetzt trat der Wirt wieder ein, und ihm folgten einige Bedienstete, welche auf Platten den duftenden Asado con cuero brachten. Die Gäste aßen und tranken schweigend und zeigten dabei so ernste Gesichter, daß dem Wirt der Mut entfiel, ein neues Gespräch anzuknüpfen. Als das Mahl zu Ende und auch der Wein getrunken war, begaben sich die Männer in den Hof, um sich die Maultiere zeigen zu lassen. Sie hatten in Tucuman die hier in den Bergen unbrauchbaren Pferde verkauft und mußten sich nun von neuem beritten machen. Tiere und Sattelzeug gab es bei Rodrigo Sereno mehr als genug.
    Bei dem Schein brennender Lichter und Laternen wurde die Auswahl getroffen. Dann fragte der Vater Jaguar nach dem durchschnittlichen Preis.
    „Vierzig Bolivianos das Stück, Señor“, antwortete der Wirt. „Sie werden zugeben, daß dies der niedrigste Preis ist, zu welchem man ein Maultier hier haben kann.“
    „Können Sie auch Proviant für uns auf acht Tage schaffen?“
    „Ja.“
    „So besorgen Sie das, und kommen Sie dann in die Stube!“
    Der Wirt nahm das Schweigen als Einwilligung und freute sich im stillen, heut für ein Maultier doppelt soviel wie gestern zu erhalten. Das bedeutete einen Aufschlag von über zweitausend Mark. Die Sättel wurden auch in die Stube geschafft, weil die Taschen dort mit Proviant gefüllt werden sollten. Dies war nach Verlauf von einer Stunde geschehen, und dann forderte der Vater Jaguar den Wirt auf, ihm die Rechnung niederzuschreiben. Rodrigo Sereno holte ein Stück Kreide und schrieb die einzelnen Posten auf den Tisch. Sein Gesicht glänzte vor Wonne, als er die Summe zog. Da aber fragte der Weiße: „Wieviel hat der Gambusino gestern für ein Maultier angerechnet bekommen?“
    „Auch vierzig Bolivianos, Señor.“
    „So ist er entweder sehr dumm gewesen, oder Sie halten mich für dumm genug, dies zu glauben. Ich bezahlte die Hälfte, zwanzig Bolivianos, und zwar in blanken Goldstücken sofort auf den Tisch. Ist Ihnen dies zuwenig, so werden wir noch in dieser Nacht bei einem anderen billiger kaufen.“
    „Señor, es ist mir unmöglich, Ihnen die Tiere zu einem solchen Preis zu lassen“, beteuerte der Wirt mit wie zum Schwur erhobener Hand. „Ich würde über zehn Bolivianos am Stück verlieren.“
    „Schweigen Sie doch!“ fuhr ihn der Weiße an. „Sie halten uns für fremd im Land. Sie wollten aber wissen, wer ich bin, und so will ich es Ihnen sagen: Ich bin der Vater Jaguar!“
    Da fuhr der Wirt um zwei Schritt rückwärts und rief mit stammelndem Mund: „Que maravilla! Der – Vater – Ja-gu-ar – – –!“
    Er starrte den Genannten mit weitgeöffneten Augen an und schien alle Bewegungsfähigkeit verloren zu haben.
    „Nun, gilt's? Zwanzig Bolivianos für das Maultier?“ drang Hammer in ihn.
    „Ja – ja –“ antwortete er, wie abwesend; „sogar für – fünfzehn sollen Sie – es haben – da Sie der – Vater Jaguar sind.“
    „Nein, nicht fünfzehn; ich gebe zwanzig, hier ist die Summe, welche Sie zu bekommen haben.“
    Er griff in den Gürtel, zog eine Handvoll Goldstücke hervor und zählte ihm die schuldige Summe auf den Tisch. Rodrigo Sereno bedankte sich, als ob er träume, und steckte das Geld auch wie im Traum in die Tasche. Nachdem jeder einen Sattel genommen hatte, begaben sich die Gäste wieder in den Hof. Der Wirt folgte ihnen und rief heimlich alle seine Leute herbei. Da standen sie und sahen, wie die Fremden sich auf die Maultiere schwangen und dann in die Nacht hinausjagten.

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