36 - Das Vermächtnis des Inka
dem Schatz zu nahen!“
„Ja. Und darum möchte ich dich bitten, auch den Vater Jaguar mitzunehmen. Seine Augen sind die schärfsten und erfahrensten von allen, so daß er dieses verborgene Feuer jedenfalls eher entdecken wird als wir.“
„Er soll mitgehen. Ich hätte ihn auch ohnedies darum gebeten. Und auch mein lieber Freund Antonio mag bei uns sein, damit er zu den ersten gehört, welche den Schatz sehen. Oder fürchtest du dich vor der Gefahr des verborgenen Feuers?“
Diese Frage war an Anton Engelhardt gerichtet, welcher sogleich antwortete: „Ich fürchte mich nicht. Wie das Pulver, so wird auch euer Feuer erst dann gefährlich sein, wenn es angezündet wird, also wenn man es mit anderem Feuer in Berührung bringt, und dies zu tun werden wir uns doch hüten.“
„Wenn wir vorsichtig sind, haben wir jedenfalls nichts zu befürchten“, stimmte der Vater Jaguar bei. „Ihr wollt die Höhle also schon heute aufsuchen?“
„Ja“, nickte Anciano.
„Noch vor der Ankunft unserer Feinde?“
„Noch vor derselben.“
„Ich möchte raten, zu warten. Wir würden Spuren zurücklassen, durch welche wir leicht unsere Anwesenheit verraten könnten.“
„Haben wir denn nicht Zeit, diese Spuren so zu vertilgen, daß sie nicht zu bemerken sind, Señor? Der Gambusino kann vor morgen nicht da sein, und jetzt haben wir erst Vormittag.“
„Und doch ist es besser, zu warten. Wir wissen nicht, welchen Fund wir machen. Er kann leicht ein derartiger sein, daß die Ausführung unserer jetzigen Vorsätze nicht möglich ist.“
„Sie mögen recht haben; aber wir wissen nicht, wieviel Indianer der Gambusino mitbringt. Einige Häuptlinge der Mojos sind meine Freunde, während ich mit anderen verfeindet bin. Es steht eher zu erwarten, daß es zwischen uns und ihnen zum Kampf kommt, als nicht. Wenn ich dabei getötet würde, so könnte ich meinem jungen Herrn den Ort dann nicht zeigen, und die ganze Erbschaft würde verlorengehen.“
„Du brauchst dich nur am Kampf nicht zu beteiligen!“
„Señor, was trauen Sie mir zu!“ rief da der Alte aus. „Wir wollen den Mörder meines ermordeten Herrn ergreifen, und ich sollte dabei meine Arme und meine Waffen ruhen lassen? Verlangen Sie von mir alles, aber nur dieses nicht!“
„Gut! Ich kann begreifen, was du denkst und fühlst. Du magst also deinen Willen haben. Aber ehe wir nach dem Stollen suchen, müssen wir an anderes und Notwendigeres denken. Wir sind gezwungen, vielleicht länger als einen oder einige Tage hierzubleiben. Für uns ist Proviant genug vorhanden, aber wir müssen auch für unsere Maultiere sorgen. Wasser und Gras gibt es nur unten an der Salina del Condor für sie; leider dürfen wir dort nicht lagern, weil unsere Gegner über die Salina kommen werden. Wir müssen also nach einem anderen Ort suchen, und wenn er noch so sehr entlegen von hier wäre, wo unsere Tiere trinken und weiden können. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, dürften wir nicht hier an der Mordschlucht bleiben. Wir müssen uns verbergen.“
„Was das betrifft, da brauchen Sie sich keine Sorge zu machen, Señor. Eine Reitstunde von hier liegt ein tiefes Loch, in welchem es immerfort Wasser gibt, an dessen Rand Gras wächst. Ich und Haukaropora sind wohl die einzigen Menschen, welche diesen Ort kennen. Ich werde Sie hinführen.“
„Ein tiefes Bergloch? Können denn da unsere Tiere hinab?“
„Für Pferde würde der Abstieg unmöglich sein; unsere Maultiere aber kommen gewiß hinunter. Wir wissen freilich nicht, ob wir ihrer zur etwaigen Verfolgung unserer Feinde hier in der Nähe bedürfen.“
„Dies abzuwarten haben wir genügsam Zeit. Es gilt zunächst, zu erfahren, ob die Mojosindianer, welche mit dem Gambusino kommen werden, mit dir verfeindet oder befreundet sind. Im ersteren Falle wird es wohl nicht ohne Kampf abgehen; sind sie aber im guten bekannt mit dir, so hoffe ich, daß du sie bewegen kannst, zu uns überzugehen. Erst dann, wenn das entschieden ist, können wir uns einen bestimmten Plan bilden. Fürs erste kannst du, wenn wir uns ein wenig ausgeruht haben, die anderen nach dem Bergloch führen; ich bleibe mit Haukaropora und Anton, die mit in die Höhle sollen, hier, um deine Rückkehr zu erwarten.“
Es läßt sich denken, daß auch die anderen Mitglieder der Gesellschaft sich außerordentlich gern an der Aufsuchung des Schatzes beteiligt hätten, doch sprachen sie diesen Wunsch nicht aus, sondern fügten sich in die getroffene Anordnung und ritten nach
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