3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
Anerkennung für meine bisherige Leistung findet ihren peinlichen Höhepunkt: Victor wirft sich tatsächlich vor mir auf die Knie und verneigt sich vor mir, was mir dann doch zu viel des Guten und etwas unangenehm ist.
Nachdem er sich mir dann doch nicht als Jünger angeschlossen hat, wollen die anderen natürlich, verblüfft über Victors Huldigung, wissen, was das Ganze sollte, worauf ich erwidere: “I think, he just recognized me!” Aus dem „bisschen länger draußen bleiben“ wird dann am Ende 04:30 Uhr! Abends ist zuerst Sightseeing angesagt, dann gehen wir was essen und trinken, Tapas-Bar und so weiter und landen am Ende in der tollen La Lola Bar.
Dort gibt’s erstklassige Live-Musik (Gitarre und Gesang) und wir tanzen barfuß! Es wird einer der besten Abende auf dem ganzen Weg bisher und der letzte Abend in dieser Konstellation. Carmen, Monika und ich wollen morgen nur eine sehr kurze Etappe zurücklegen, Theo und Marc weiterlaufen.
Frage des Tages: Bin ich Jesus, oder was?
Samstag, 16. August, 96. Tag:
Leon - La Virgen del Camino, 10 km
Nach nicht einmal viereinhalb Stunden Schlaf werde ich geweckt und nett aufgefordert, das Zimmer bis 10:00 Uhr zu verlassen, was ja Luxus ist im Vergleich zu anderen Herbergen. Ich versuche auf krank zu machen, aber die Dame an der Rezeption bleibt hart - so krank sehe ich vielleicht doch nicht mehr aus - und schlägt mir vor, im Flur vor der Rezeption meine Isomatte und meinen Schlafsack auszubreiten. So mach ich es dann auch und schlafe noch schön aus. Habe ja heute nur eine kurze Etappe vor mir, die man gut in zwei Stunden bewältigen kann.
Nachde m ich ausgeschlafen habe, gehe ich noch ins Internet, das in dieser Herberge gratis ist, also gnadenlos ausgenutzt werden muss. Ich checke endlich mal wieder meine Mails, beantworte ein paar und schaffe Platz auf meinem USB-Stick für neue Bilder. Schon cool, jetzt Bilder aus der Schweiz zu sehen. Nicht in jeder Herberge gibt es einen Internetanschluss, und wenn, dann noch seltener gratis. Also nutzt man die Gelegenheiten, um sich an einer der revolutionärsten aber sicher auch zweifelhaftesten Errungenschaften der Zivilisation zu erfreuen.
Ich laufe erst gegen 18:00 Uhr (!) los und das einzige Erwähnenswerte, mal abgesehen vom Weg aus Leon heraus, der nochmal an schönen Gebäuden vorbeiführt, ist, endlich mal wieder: Lidl! Nach den Strapazen der Meseta echt voll das Schlaraffenland! Gegen 20:30 Uhr komme ich in der modernen Herberge von Virgen del Camino an, die es wirklich auch verdient, erwähnt zu werden: Es gibt die besten Matratzen von allen Herbergen in Spanien bisher und die große Küche lässt keine Wünsche offen und hat einen offenen Übergang zum Aufenthaltsraum, der sehr bequeme Sofas und endlich mal wieder einen Fernseher hat.
Wenn das Ganze auch etwas steril wirkt, ist die Herberge echt gut. Nach meinem obligatorischen Pasta-Dinner, Monika und Carmen sind schon ins Bett, setz ich mich noch vor den Fernseher und schau mir ’Star Wars’ auf Spanisch an. Mal was anderes.
Als ich ziemlich spät ins Bett gehe, regt sich ein Pilger im Schlafsaal , der der einzige Nachteil der Herberge ist, über meine nächtliche Ruhestörung auf, obwohl ich wirklich versuche, leise zu sein und meine Stirnlampe die einzige Lichtquelle darstellt. Am nächsten Morgen raschelt derselbe Pilger schon vor 06:00 Uhr mit seinen Tüten und findet das anscheinend völlig in Ordnung. Jedenfalls beschwere ich mich nicht, weil ich ihn ja ebenso wenig dazu zwingen kann, länger zu schlafen, wie er mich dazu zwingen kann, früher ins Bett zu gehen.
Fazit des Tages: Leben und leben lassen.
Sonntag, 17. August, 97. Tag:
La Virgen del Camino - Hospital de Orbigo, 29 km
Auch heute Morgen werde ich wieder gegen 07:00 Uhr unsanft aus meinen Träumen gerissen und aufgefordert, die Herberge bis 07:30 Uhr verlassen zu haben. Ja, ich weiß, ich bin hier nicht im Robinson Club! In einer halben Stunde also waschen, Toilette, anziehen, Schlafsack und Isomatte zusammenrollen, Rucksack zusammenpacken und Frühstück? Wie soll das denn gehen? Indem ich am Ende draußen frühstücke!
Radikal werde ich um 07:30Uhr rausgeschmissen! Wenigstens habe ich’s gerade noch geschafft, Wasser zu kochen und mir einen löslichen Kaffee aufzuschütten in meinem Plastikbecher, sonst würde ich beim Laufen einschlafen. Den Rest Nudeln
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