3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
warne meine Weggefährten noch und sage ihnen, sie sollen mir nicht böse zu sein für den Fall, dass ihnen der Weg doch zu anstrengend wird, und los geht’s! An der Weggabelung steht noch ein handgemaltes Schild mit der Aufschrift: ‘Camino muy duro, solo para buenos caminantes…!’
Der ‘Camino Duro’ fordert uns dann auch tatsächlich mit S teigungen wie in der Schweiz alles ab, aber wir werden mit unberührter Natur fern jeder Zivilisation und spektakulären Panoramen belohnt, was sicher besser ist als vorbeirauschende Autos! Auch der Abstieg wird genauso schön wie anstrengend, so dass wir uns in Trabadelo eine ausgiebige Siesta verdient haben.
Die let zten sieben Kilometer legen Eduardo und ich dann sehr zügig in knapp einer Stunde zurück. Es ist schon spät und eine Küche gibt es nur in einer Herberge, die man nicht reservieren kann.
Weil Marianne versprochen hatte , Spaghetti zu kochen, versuchen wir also in dieser Herberge noch fünf Plätze zu bekommen.
Wir kommen gegen 19:30 Uhr an und in den Schlafräumen sind die Betten belegt, aber in einem Raum stehen ein paar Matratzen herum, also machen wir uns mit Einverständnis der Herbergsleitung ein Matratzenlager daraus.
Abends hält Marianne dann ihr Versprechen und k ocht uns leckere italienische Pasta. Das können Italiener sowieso gut. Carolina macht einen leckeren Salat, dazu gibt es Rotwein und Brot, und fertig ist das perfekte Late Night Dinner um 22:30 Uhr mit tollen Weggefährten!
Viel früher hätten wir auch gar nicht essen können, weil die Küche komplett belegt war. Bei meistens nicht mehr als vier Kochplatten ist es in den Herbergen oft schwierig , eine oder zwei freie Platten zur Rush Hour zwischen 18:00 und 20:00 Uhr zu erwischen. Ich habe Küchen erlebt, in denen 15 Pilger gleichzeitig kochen wollten!
Spruch des Tages: Als Marianne sieht, dass ich mir nach Salat, Brot und einem extrem vollen ersten Teller Spaghetti noch einen zweiten Teller hole, schlägt sie die Hände vor ihr Gesicht, weil sie nicht glauben will, dass ein Mensch so viel essen kann, und sagt in einem ungläubigen Tonfall und als ob ihr übel wäre:
“Oh, no per favore…!”
Info des Tages (von David, einem ungarischen Pilger): Ein Pilger namens Lukas, der angeblich auch in Konstanz gestartet ist, ist wohl ungefähr in unserer Gegend. Er soll groß sein, blond und blauäugig und immer mit freiem Oberkörper, einem auffälligen Safari-Hut und einem dicken Wanderstock unterwegs sein.
Hoffentlich begegne ich ihm noch!
Freitag, 22. August, 102. Tag:
Vega de Valcarce - Fonfria, 25 km
Heute erreichen wir mit O Cebreiro im wahrsten Sinne des Wortes einen weiteren Höhepunkt, nämlich den höchsten Punkt des galicischen Teils des Jakobsweges. Die Landschaft und die Panoramen werden unbeschreiblich schön und sind nach den Pyrenäen das absolute Highlight in Spanien. Die Dörfer, durch die wir laufen, passen auch wieder sehr gut zum Weg und zur Landschaft.
Kurz vor O Cebreiro erreichen wir endlich den so lange ersehnten Grenzstein von Galicien, der Provinz, in der auch Santiago de Compostela liegt. In O Cebreiro machen wir mal wieder eine sehr ausgiebige Pause und gönnen uns ein Mittagessen mit Traum-Panorama in einem der Restaurants.
Gemütlich geht’s weiter, wir genießen den Weg ausgiebig und kommen erst wieder um 20:15 Uhr abends an. In weiser Voraussicht haben wir uns dieses Mal für ein Etappenziel entschieden, wo es eine Herberge gibt, die man reservieren kann. Auch wenn Reservieren nicht gerade zum Pilgern passt, empfiehlt es sich langsam doch, weil immer mehr Pilger unterwegs sind, je mehr wir uns Santiago nähern.
Weil wir außerdem zu fünft sind und es so bleiben soll, wir aber keinen Stress wollen, sondern eben den Camino genießen, werden wir also für die verbleibenden Nächte bis Santiago nach Möglichkeit reservieren. In den kommunalen Herbergen, die am preisgünstigsten sind, kann man nicht reservieren, und deshalb bilden sich schon gegen Mittag vor diesen Herbergen regelrechte Pilgerschlangen. Dann doch lieber eine um ein paar Euro teurere, dafür meistens aber auch sauberere und schönere sowie eben reservierbare private Herberge.
Also suchen wir an diesem Morgen aus meinem Wanderführer eine Herberge raus, die man reservieren kann, rufen vor unserem Aufbruch an, bestätigen die Reservierung gegen Nachmittag nochmal und haben
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