3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
mündet.
Tatsächlich hat Ca rmen Mariannes Pilgerstock an diesem besonderen Kilometerstein zurückgelassen und es erwartet mich eine letzte Überraschung: Unter dem Stock liegt eine mit einem Stein beschwerte Klarsichtfolie! In der Folie finde ich einen handgeschriebenen Brief und ich muss zwei Mal hinsehen, um zu glauben, dass tatsächlich mein Name draufsteht mit dem Zusatz: ‘King of Pilgrims‘.
Carmen hat mir hier den Brief zurückgelassen und geschrieben:
‘ He came from Germany, walking.
The true pilgrims will never forget you.
Your father is proud of you, I’m sure. Good Return!
D arunter dann noch die spanische Übersetzung. Ich bin total überrascht über diese wunderschöne Geste und wirklich sehr gerührt! Auf der Rückseite haben mir sogar noch Leila und Lorenzo, die Italiener, die ich nicht mehr gesehen hatte und von denen ich mich leider nicht verabschieden konnte, eine Nachricht hinterlassen inklusive einer Einladung nach Rom!
Ich lasse den Moment der endgültigen Ankunft ausgiebig auf mich wirken und fühle mich ein bisschen wie Forrest Gump, der am Meer ankommt, umdreht und wieder zurückläuft, nur mit dem Unterschied, dass ich nicht zurücklaufen werde.
Ich suche mir einen überdachten Platz mit fantastischem Meerblick, mache es mir noch einmal gemütlich in meinem Schlafsack und auf meiner Isomatte, esse zu Abend, blase den Rauch meiner letzten Zigarette in Richtung Sterne und schlafe als Sternenwanderer und Jakobspilger ein, wieder und immer noch mit diesem unglaublichen Gefühl der Gewissheit, es geschafft zu haben!
Fazit des Tages:
Ja, ich hab’s geschafft!
Meine Füße haben mich 111 Tage knapp 2.400 Kilometer oder etwa 3. 600.000 Schritte durch Deutschland (20 km), die Schweiz (452 km), Frankreich (1.050 km) und Spanien (ca. 900 km) vom Bodensee bis nach Santiago de Compostela und weiter bis nach Cabo Finisterre, dem Ende der Welt im äußersten Nordwesten Spaniens, getragen. Es war die mit Abstand längste, intensivste, härteste, abenteuerlichste, emotionalste, spirituellste, abwechslungsreichste und schönste Reise meines Lebens. Ganz sicher!
Ankunft…
Der Tag nach meiner Ankunft:
Montag, 1. September, 112. Tag:
Fisterra und nochmal Kap Finisterre!
Ich habe zwar gestern den Sonnenuntergang nicht mehr mitbekommen, aber dafür sehe ich heute Morgen ganz alleine von einem Logenplatz aus den traumhaft schönen Sonnenaufgang mit einem fast Rundum-Meerblick! Nach dem Sonnenaufgang packe ich meine Sachen und mache mich mit knurrendem Magen auf den Weg zurück hinunter nach Fisterra.
Im Hafen frühstücke ich in einem Cafe, treffe ein paar bekannte Pilger und checke, als gegen Mittag die Herberge öffnet, dort ein. Eigentlich darf man dort nur die Nacht nach seiner Ankunft verbringen, aber sie lassen sich dann doch überreden, mich eine Nacht aufzunehmen. Abends kaufe ich eine Flasche Wein und mache mich nochmal auf den Weg zum Kap. Auf dem Weg dorthin merke ich plötzlich, dass ich überhaupt keine Lust mehr habe zu laufen und erst recht nicht bergauf. Ich bin genug gelaufen und will einfach nicht mehr. Schluss, aus!
Ich stelle mich an die Straße und halte meinen Daumen raus. Das sieht Katharina, eine in Madrid lebende US-Amerikanerin, hält es anscheinend für eine gute Idee und gesellt sich zu mir. Kaum steht sie bei mir, hält das erste Auto mit vier männlichen Spaniern an. Woran das wohl liegt…?
Also geht’s per Anhalter hoch zum Kap und diesmal bin ich auch rechtzeitig da, um den Sonnenuntergang zu sehen. Der ist dann zwar leider nicht so spektakulär wie der Meerblick, aber das ist mir jetzt egal, und zusammen mit Katharina stoße ich ein letztes Mal auf die zurückliegenden 2.400 Kilometer und unsere Ankunft am Ende der Welt an.
Wie schon unzä hlige Pilger seit Jahrhunderten folge auch ich hier der letzten Tradition und verbrenne ein Kleidungsstück: Es ist eines der zwei Paar Socken, das mehr oder weniger bis hierher gehalten und wirklich seinen Dienst getan hat. Außerdem verbrenne ich ein Röntgenbild von meinem gebrochenen Sprunggelenk. Immer wieder hat sich diese alte Verletzung unterwegs bemerkbar gemacht und Schmerzen verursacht, aber zum Glück wurde es nicht so schlimm, dass ich aufgeben musste.
Symbolisch dafür, dass mich diese Verletzung auch nicht daran hindern konnte , 2.400 Kilometer quer durch Europa zu laufen,
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