365 Geile Nacht Geschichten 1 Juni
immerhin schon so einiges erlebt, und niemand, wirklich niemand würde ihn dazu bekommen jetzt einfach das Handtuch zu werfen und abzuhauen. Wie war das noch? Der Kapitän verlässt immer als Letzter das sinkende Schiff.
Sean wusste noch nicht, was im Sommer sein würde. Eine andere Zweigstelle stand nicht in seinem Vertrag, und die Berliner Kollegen mussten sicherlich anfangen zu sparen. Sein Gehalt war mit eins der höchsten im Etat der Firma.
Seufzend wischte er sich mit den Händen durchs Gesicht und ganz plötzlich musste er an Robert denken. Robert, der immer so souverän seinen Job gemacht hatte. Der immer ruhig und ausgeglichen wirkte, scheinbar mit allen Aufs und Abs gut zurechtgekommen war … und doch …
Der Berliner blinzelte, wollte nicht wieder losheulen. Er hatte Angst – Angst, dass die Menschen da draußen auch von ihm ein falsches Bild bekamen, wenn nicht sogar schon hatten.
Sicherlich nicht zu vergleichen mit Berlusconi, ganz sicher nicht, und doch … in seinem Job stand man enorm unter Druck und ein falsches Wort, ein unbedachtes Zeichen und alles fiel über dich her … Wieder seufzte er, blickte gedankenverloren in die jetzt immer schneller aufkommende Dämmerung und die funkelnden Lichter der Stadt.
Ich bin nicht so – warum schreiben die das? Ich wollte immer nur das Beste für die Firma, habe immer versucht weiterzukommen, da zu sein. Doch ich bin auch nur Mensch, und da kann einem auch mal der Kragen platzen – ist doch völlig normal, oder?
Ein schrilles Klingeln riss den Berliner aus den dunklen Gedanken. Suchend blickte er sich um – sah das vor sich hin wackelnde Handy auf dem Tisch aufleuchten. Eigentlich hatte er keine Lust ranzugehen, warum er es trotzdem tat, wusste er selbst nicht so genau.
Ja?“
„Sean? Hey, hier ist Marc – Steinberg …“
„Hey Marc, was bringt dich denn dazu mich anzurufen aus dem fernen Deutschland? Willst wohl die Handyrechnung zum Explodieren bringen?“
Sean merkte, dass der Ton, den er anschlug, doch ziemlich daneben war, denn was konnte Marc schon für sein Dilemma mit der Presse? Also räusperte er sich und versuchte es noch einmal.
„Sorry Marc, also … wie komme ich zu der Ehre deines Anrufs?“
Marc rollte mit den Augen. Sean war anscheinend angefressener, als er sich ausgemalt hatte.
„Marc?“
„Bin noch dran, du oller Brummbär …“
„Bin kein Bär – und alt schon mal gar nicht, du Junggemüse. Ich stehe in der Blüte meiner Jahre“, tönte es prompt protestierend aus dem Hörer.
„Mal sehn … typischer 3-Tage-Bart im Gesicht und dein Blick, das hat schon was von einem Bären, finde ich. Und das Alter … Ja, ich muss sagen, du bist noch gut in Form …“
Ein Grummeln war zu hören und Marc grinste. Den Chef etwas aufzumuntern hatte bisher ja schon gut geklappt.
„Aber um mich zu beleidigen wirfst du dein hart verdientes Geld sicher nicht zum Fenster raus, oder?“
Sean hörte sich jetzt nicht mehr ganz so gefrustet an. Marc schaffte es durch seine Sprüche halt immer mal wieder, dass der Ärger wenigstens kurzfristig aus seinen Gedanken verschwand. Er hörte ein leises Lachen aus der Leitung.
„Nee du, wollt dich eigentlich fragen, ob du morgen schon etwas vorhast? Ich bin auf dem Weg in die Staaten – dachte, ich lass mir von dir in den letzten freien Tagen San Francisco zeigen. Natürlich nur wenn … wenn es dir recht ist?“
Sean zog eine Augenbraue hoch. Marc wollte ihn besuchen? Mal eben so in die USA jetten? Er zögerte kurz.
„Das geht schon in Ordnung, Marc. Ich kann dir nur nicht sagen, ob ich mich als Fremdenführer so wirklich eigne.“
Marc lachte wieder.
„Ach was, das bekommen wir schon hin, oder? Was liegt denn heute noch so an bei dir?“
„Heute Abend? Ich wollte noch mal weg – Club oder Kneipe oder so, Hauptsache Ablenkung von diesem Schmierenkram, du verstehst? Wann bist du denn morgen hier? Und welches Hotel?“
„Also, laut Flugplan morgen am Nachmittag irgendwann und – würdest du im Foyer auf mich warten? Ich habe noch ein Zimmer in dem Hotel bekommen, in dem du gerade bist. So können wir uns auch ganz sicher nicht verpassen.“
„Oh, ja, prima. Dann bis morgen Nachmittag. Und wenn du da bist, lass den Empfang bei mir anrufen, dann sammle ich dich auf, okay? Will ja nicht, dass eines meiner Schäfchen in der großen bösen Stadt hier verloren geht.“
„Ha-ha. Gut, dann bis morgen, Sean und … viel Spaß noch heut Abend … tu nichts, was ich
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