365 Geile Nacht Geschichten 1 Juni
mit fragiler Handschrift eine Nachricht hinterlassen:
„Lieber Tomas, …“, Erik blickte verwundert hoch. Jack nickte und zeigte auf sich, „… die Liebe macht auch vor dem Alter nicht halt. Ich folge meinem Herzen und mache mit Wilhelm eine Weltreise. Bitte gibt gut acht auf meinen Garten. Falls es ein Problem gibt, wende dich an Erik, meinen Neffen. Deine Maria. PS: Und nun verliebe dich doch auch mal!“
Erik starrte noch auf die Karte, als er sie längst fertig gelesen hatte.
„Du wusstest, wo Tante Mary ist?“, fragte Erik fassungslos. Jack – Tomas – nickte zustimmend. „Und warum hast du …“, Eriks Gedanken polterten wild durcheinander, er wusste gar nicht, welche Frage er zuerst stellen sollte. Der stumme Tomas nahm die Karte, klopfte mit dem Finger auf die letzte Zeile und grinste breit. Erik glotzte eine ganze Weile darauf, versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Dann hob er den Kopf und musterte den verunsichert dreinschauenden Mann.
„Wirklich?“, fragte er nach und betrachtete den stummen Mann mit ganz neuen Augen. Dieser nickte, seufzte tief und seine Mundwinkel wackelten nervös.
„Und … was war das Problem, weswegen du mich gerufen hast?“, wollte Erik wissen. Tomas streckte die Hand aus und zeigte auf ein Foto, das auf Tante Marys Nachtkästchen stand. Es zeigte Erik … die alte Version von ihm … mager, affektiert und mit traurigem, leeren Blick. Tomas machte ein finsteres Gesicht, schüttelte den Kopf – dann zeigte er auf Erik, nickte und strahlte. Noch ehe Erik dazu etwas sagen konnte, sprang Tomas auf, schob die in den Kniekehlen hängende Hose hoch, um sie zu verschließen und drängte Erik mit aufgeregtem Blick, ihm zu folgen.
Im feuchten, dunklen Keller des Hauses fand Erik nicht nur sämtliche Spiegel, die Tomas offensichtlich hier versteckt hatte, sondern auch eine Werkstatt, in der er wohl die Tage zugebracht hatte. Tomas drückte Erik ein interessant geschnitztes Holzstück in die Hand. Es war hohl und hatte an einem Ende eine kleine Öffnung, an der ein Faden heraushing. Tomas ermunterte Erik mit einem Nicken, daran zu ziehen.
Zunächst kam nur ein Papierröllchen heraus, doch nach und nach entfaltete sich ein Schmetterling aus feinstem Papier, der auf der Puppenhülle saß. Ein kleines Meisterwerk. Es war wunderschön
Tomas zeigte auf das Kunstwerk aus Papier, dann auf Erik und grinste triumphierend.
"Das bin ich?", fragte Erik und erntete ein begeistertes Nicken. Vorsichtig legte er das Geschenk auf die Werkbank, machte einen Schritt auf den stummen Tomas zu und flüsterte: "Danke. Für alles!" Er schlang die Arme um den Mann, in den er sich nach und nach zu verlieben begann und küsste ihn innig.
ENDE
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16. Ein Berliner in San Francisco – grinsekatze72
„Verdammte Scheiße!“
Wütend und extrem sauer warf Sean erst das Buch und dann die Fernbedienung gegen die hellbraun getünchte Wand des Hotelzimmers. Laut polterte daraufhin noch ein Bild von der Wand und das Glas im Rahmen knirschte verdächtig, hielt aber.
„Das ist doch alles nicht zu glauben. Welcher Idiot denkt sich nur immer wieder solch einen Müll aus?“
Der dunkelhaarige Mann fuhr sich unwirsch immer wieder durch die Haare, lief Furchen in den dicken Teppichboden des Hotelzimmers und blieb schließlich, immer noch vor Wut kochend, an der großen Fensterfront stehen.
Das Zimmer lag im fünften Stock, doch selbst der fantastische Ausblick auf San Francisco konnte ihn kaum beruhigen. Die Weihnachtstage waren so ruhig gewesen – zu ruhig wahrscheinlich. Und kaum waren sie vorbei und die großen Aufträge näherten sich, schossen wilde Gerüchte rund um seine Person wie Pilze aus dem Boden – schneller, als jeder Pilzsammler ernten konnte.
Klar, er und sein alter Manager waren nicht im Streit auseinandergegangen, aber sie waren sicherlich auch nicht siamesische Zwillinge. Sie hatten zwei-, dreimal telefoniert seit dem Sommer und das war’s auch schon gewesen.
Sean hatte sich gefreut, als dieser ihm erzählte, dass die Sache mit dem neuen Job klappen würde. Das aber die Presse kurz danach anfangen würde, ihn so an den Pranger zu stellen von wegen Wechsel und abhauen aus Berlin … Sean schnaubte.
Alles erstunken und erlogen. Sicher war es nicht gerade förderlich für ihn bei seinem jetzigen Arbeitgeber zu bleiben, aber sein Herz hing nach acht Jahren schon an der Firma und an Berlin. Er hatte dort
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