365 Geile Nacht Geschichten Band 2 Juli
lustigen Anekdoten, gibt sich lässig, leger, fragt pro forma, wie es uns geht und dann legt er endlich los. Wir haben einen Haufen E-Books, die unsere Klienten für den Verkauf angemeldet haben und wir 'überprüfen' sie, bevor wir sie 'rausschicken'. Vermutlich, wie immer, haben wir es mit achtzig Prozent Vampirschmonzetten zu tun, einigen Autoren, die sich für Nobelpreisträger halten, weil sie langweilig schreiben können und der Rest der Texte ist der übliche Schrott. Echte Talente haben wir so viele, wie es Einhörner auf der Welt gibt, aber wir geben unseren Klienten gerne das Gefühl, sie hätten eine echte Chance auf dem Markt. Ja, schießt uns tot, wir haben uns unser zynisches Weltbild hart erarbeitet.
Mir persönlich sind die homoerotischen Geschichten am liebsten, was nicht primär daran liegt, dass ich schwul bin. Es liegt eher daran, dass da keine Vampire vorkommen und keine Traumata, die man besser in einer Therapie aufarbeiten sollte, anstatt in einem Buch. Aber das ist nur meine Meinung. Da ich nicht weniger zynisch bin als meine Kollegen, besteht die wahre Faszination darin, mich über die Sexszenen dieser Werke lustig zu machen. In erster Linie schreiben da Weiber und es lesen in erster Linie Weiber – und was die so fabrizieren geht meilenweit an dem vorbei, was schwule Realität ist. Ja, manchmal sitze ich mit meinem Kollegen (dem mit dem billigen, schwarzen Plastikklemmbrett – er ist auch schwul) beisammen und wir lachen uns dumm und dämlich.
Gelegentlich versuchen wir, eine der abenteuerlich beschriebenen Stellungen nachzuäffen und zu errechnen, wie viele zusätzlichen Gelenke und Meter unsere Körperteile haben müssten, die beschriebene Akrobatik auch auszuführen. Und ja, unsere geschätzten Autorinnen glauben wohl, wir Schwule heulen dauernd und wollen nach dem ersten Fick eine lebenslange Beziehung. Spätestens da kippen mein Kollege (sein Name ist kein Geheimnis – er heißt Richard) und ich unseren ersten Whiskey – da ist es dann so etwa elf Uhr dreißig.
Leider besteht unsere Arbeitszeit nicht nur aus herumalbern. Unsere Beteiligung an diesen Besprechungen hat eher rituellen Charakter. Wir bringen alles raus, egal in welcher Qualität – rechtlich haben wir uns da abgesichert – alles Risiko liegt beim Autor (und der begreift in der Regel den Vertragstext nicht). 'Man' – das ist die Geschäftsleitung – und die wiederum existiert als Körper nicht – fühlt sich besser, wenn die Werke 'im Team' abgesegnet wurden. Für mich und meine Kollegen bedeutet das, eifrig nicken, gelegentlich eine provokante Pseudofrage stellen, wie:
„Darf der Charakter eines nicht jugendfreien Werkes minderjährig sein?“ Solche Sachen geben uns Aufschwung. Wir sind gefragt, wir können 'einschreiten' und das tun wir auch. Der Sinn dahinter? Spannung! Abenteuer! Ertragt selbst mal eine Woche in diesem Job und ihr sehnt euch nach einem Tsunami.
Meine Aufgabe ist, die Profilbilder unserer Klienten auf versteckte Botschaften durchzusehen oder im Dschungel der Kommunikation nach passiv aggressiven Beiträgen zu fahnden, die uns indirekt mitteilen sollen, wie wir die Klientinnen mit dem prämenstruellen Syndrom glücklich machen können. Auch genug Männer leiden unter dem prämenstruellem Syndrom und stellen abstruse Vergleiche an – beispielsweise erkennen sie den Unterschied zwischen einer Website und einem Auto nicht. Arme Gestalten – für diese halten wir am Anfang und am Ende jeder Sitzung eine Gedenkminute, dann lesen wir Fürbitten – damit sich Gott um unsere Klienten kümmert, weil wir keine Zeit dafür haben. Wir müssen nämlich monatelang Zahlen hin und her schieben.
Diese Besprechung aber gerät außer Kontrolle. Einer unserer Klienten hat eine Geschichte von einer schwulen Fee geschrieben, die erscheint, wenn man seinen Pimmel reibt. Sie erfüllt einem dann drei Wünsche – danach sei man für immer in Sachen Wichsen impotent. Als mein Kollege die entsprechende Kurzfassung vorgelesen hat (Damn – ein masturbatorischer Roman), herrscht erst einmal betretenes Schweigen. In den Köpfen der männlichen Mitarbeiter tobt eine rege Schlacht der Möglichkeiten: Man könnte sich 'alles' wünschen – wäre dann aber nicht mehr in der Lage, zu onanieren … kann man ohne Wichsen glücklich werden, wenn einem dafür drei Herzenswünsche erfüllt werden?
„Ich halte das für ein politisch unkorrektes Werk, weil frauenfeindlich. Den nichtmännlichen Mitgliedern der Gesellschaft
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